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Interview mit Elona Müller-Preinesberger: „Wohnen in der eigenen Wohnung ist alternativlos“

Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger über Potsdams neues Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen.

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Frau Müller-Preinesberger, Potsdam hat ein neues Konzept zur Unterbringung von asylsuchenden und geduldeten Menschen. Was wollen Sie damit erreichen?

Unser Ziel ist es, Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten schneller in eine eigene Wohnung zu vermitteln. Durch die Sprachkurse und eine gezielte Betreuung sollen sie besser auf ein eigenständiges Leben in Deutschland vorbereitet werden. Damit entsprechen wir auch den Leitlinien des Potsdamer Integrationskonzepts.

Elona Müller-Preinesberger (parteilos) ist Potsdams Sozialbeigeordnete. Die 59-Jährige will Flüchtlinge lieber in eigenen Wohnungen statt in Gemeinschaftsunterkünften unterbringen.

Was ist der Grund für die Änderung?

Wir lehnen uns damit an die geplante, aber noch nicht beschlossene Richtlinie des Landes Brandenburg an. Danach sollen Flüchtlinge in der Regel nur noch maximal ein Jahr in einer Gemeinschaftsunterkunft bleiben. Bisher war das zum Teil deutlich länger. Besonders schutzbedürftige Menschen sollen bereits nach sechs Monaten in einer Wohnung untergebracht werden.

Potsdam hat auch bisher auf die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen gesetzt. Was ändert sich nun?

Um die Vorgaben zu erfüllen, müssen wir unsere Anstrengungen verstärken. Das gilt insbesondere für die Sprache. Ab dem Sommer werden wir beginnen, Sprachkurse sofort nach dem Umzug aus dem zentralen Aufnahmelager in Eisenhüttenstadt anzubieten. Das war bisher nur dank der spendenfinanzierten Angebote der Diakonie möglich. Der Bund zahlt Sprachkurse erst nach der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nun stellt die Stadt Potsdam dafür jährlich 40 000 Euro aus dem eigenen Haushalt zur Verfügung.

Wieso engagiert sich die Stadt so stark?

Wir können Integration nicht nur fordern, sondern müssen sie auch ermöglichen. Viele Flüchtlinge haben schlimme Erlebnisse hinter sich und kommen in eine völlig fremde Umgebung. Nur mit alltagstauglichen Sprachkenntnissen können sie sich in der Stadt zurechtfinden. Das geht schon bei einfachen Dingen los, beispielsweise nach dem Weg zu fragen. Außerdem tun wir den Flüchtlingen keinen gefallen, wenn wir sie ohne Sprachkenntnisse in eine Wohnung vermitteln.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Jede Flüchtlingsgeschichte ist anders. Wir haben es mit vielen verschiedenen Herkunftsländern und Muttersprachen zu tun. Die Sprachförderung muss deshalb individuell angepasst sein. Nicht jeder Flüchtling kennt unser lateinisches Alphabet. Manche können gar nicht lesen und schreiben. Da muss man teilweise mit einem Alphabetisierungskurs beginnen.

Was wird noch getan?

Um angesichts des angespannten Wohnungsmarktes Platz für Flüchtlinge zu finden, stehen wir in Kontakt mit den Vermietern. Außerdem werden die Flüchtlinge beim Auszug aus der Gemeinschaftsunterkunft von einem Mitarbeiter der Verwaltung und Sozialarbeitern in der Unterkunft begleitet.

Welche Erfahrungen gibt es bei der Wohnungsvermittlung?

Bisher überwiegend gute. Von April 2012 bis März 2013 haben wir 73 Flüchtlinge in 41 Wohnungen vermitteln können. Das wollen wir ausbauen.

Aus welchem Grund?

Vorrangig, um das Integrationsziel, wie im Konzept verankert, zu erreichen. Daneben sind derzeit im Flüchtlingsheim am Schlaatz und in der Unterkunft in der Hegelallee sämtliche 193 Plätze belegt. Wegen der gestiegenen Anzahl der Asylbewerber soll die Stadt zusätzlich 153 Flüchtlinge aufnehmen. Nur durch Wohnungsvermittlungen schaffen wir auch Platz in den Gemeinschaftsunterkünften.

Was wäre die Alternative?

Es geht nicht um Alternativen. Wohnen in einer eigenen Wohnung ist alternativlos. Darüber hinaus müssen wir konstatieren, dass die gestiegene Aufnahmequote allein mit Wohnungsvermittlung nicht erfüllt werden kann. Deshalb wird die Stadt eine weitere Gemeinschaftsunterkunft eröffnen müssen. Es läuft bereits die Suche nach einem Standort. Die Stadt verfügt über kein geeignetes Gebäude. Kurzfristig wird es das also nicht geben.

Das Gespräch führte Marco Zschieck

Unterkunft und Lebensunterhalt

In den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Flüchtlinge auch in Potsdam: Zwischen 2006 und 2010 kamen noch jeweils um die 30 pro Jahr, 2011 waren es schon 72. Derzeit sind die 193 Plätze im Flüchtlingsheim am Schlaatz und der Unterkunft in der Hegelallee belegt. 35 Bewohner könnten zwar ausziehen, finden aber keine Wohnung. Weil Asylbewerber keine Arbeitserlaubnis haben, muss die Kommune für die Unterbringung aufkommen. Im Jahr 2012 waren das für die Gemeinschaftsunterkünfte 275 000 Euro und für Wohnungen 167 000 Euro. Zum Lebensunterhalt bekommen Flüchtlinge genau so viel Geld wie Hartz-IV-Empfänger. Nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz hat die Stadt dafür im vergangenen Jahr 650 000 Euro ausgegeben. Dazu kamen 300 000 Euro für Leistungen zur Krankenhilfe und das Bildungs- und Teilhabepaket. (mar)

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