
© Andreas Klaer
Von Henri Kramer und Peer Straube: Wohnhaus durch die Hintertür
Bauverwaltung trickste offenbar für Gästewohnungen in der Schiffbauergasse die Stadtverordneten aus
- Henri Kramer
- Peer Straube
Stand:
Berliner Vorstadt - Potsdams Bauverwaltung hat allen Anzeichen nach getrickst, um gegen den Willen des Stadtparlaments am Kulturstandort Schiffbauergasse ein Wohnhaus bauen zu lassen. Wie berichtet, hat das vom Bündnisgrünen Matthias Klipp geführte Ressort den Bau eines sogenannten Boardinghauses des Investors Dirk Onnen genehmigt. Dort sollen in 33 gewerblich vermieteten Apartments Geschäftsleute, Wissenschaftler, Software-Programmierer oder auch Filmschaffende über Wochen oder Monate wohnen. Im Sommer 2012 will Onnen das Haus eröffnen.
Allerdings verstößt dieses Projekt gegen einen Beschluss der Stadtverordneten vom Januar 2006. Aus der Sorge heraus, Anwohner könnten gegen den Lärm eines mit rund 100 Millionen Euro Fördergeld geschaffenen Kulturstandortes klagen, hatte das Parlament damals jegliche Wohnnutzung in der Schiffbauergasse ausgeschlossen. Doch an diesen Beschluss sieht sich die Bauverwaltung nicht gebunden. Der Grund ist eine ausgesprochene Spitzfindigkeit: Nach Rücksprache mit Klipp sagte gestern Rathaussprecher Stefan Schulz, die Stadtverordneten hätten ihren Beschluss auf den damals geplanten Bebauungsplan für die Schiffbauergasse bezogen – doch sei dieser nie in Kraft getreten.
In der Tat hatte die Bauverwaltung im April 2007 dem Bauauschuss mitgeteilt, dass der B-Plan Schiffbauergasse „nicht rechtzeitig“ zum Satzungsbeschluss gebracht worden sei. Schon damals hatte Stadtplanungschef Andreas Goetzmann es als „fraglich“ bezeichnet, ob die Stadt ein neues B-Plan-Verfahren anschieben will – und schon damals gab es Bedenken von Stadtverordneten, die Verwaltung könne sich ohne B-Plan künftig nicht mehr an die Vorgaben aus der Politik für das Areal gebunden fühlen. Genau dies geschieht offensichtlich jetzt: So argumentiert die Bauverwaltung, angesichts des fehlenden B-Plans sei auch der Beschluss, in der Schiffbauergasse keine Wohnnutzung zu erlauben, obsolet – zumal dieser sowieso rund fünf Jahre zurückliege, so Stadtsprecher Schulz.
Viel Interesse hatte die Bauverwaltung bereits vor fünf Jahren und noch unter Leitung von Elke von Kuick-Frenz (SPD) nicht daran gezeigt, den Bau von Wohnungen in der Schiffbauergasse generell zu verbieten. Erich Jesse hatte als Chef des Sanierungsträgers, der das Areal entwickelte, sogar offen vor einem solchen Schritt gewarnt, denn der erhoffte Erlös von Apartmentwohnungen mit Blick auf den Tiefen See sollte in die Refinanzierung des gesamten Sanierungsgebietes fließen. Bereits damals gab es einen konkreten Entwurf des Potsdamer Architekten Moritz Kock für ein Parkhaus nebst Büroturm, Gewerbeflächen – und möglichen Apartmentwohnungen. Von Kock, der 2009 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, stammt auch der Entwurf für das jetzt genehmigte Boardinghaus.
Wilfried Peinke, Chef der Waschhaus gGmbh, die in der Schiffbauergasse einen Klub und eine Konzert-Arena betreibt, forderte die Stadtverwaltung gestern auf, die Baugenehmigung erneut zu überprüfen. Er erinnerte unter anderem an das Schicksal des inzwischen geschlossenen Berliner Knaack-Klubs, gegen den zugezogene Anwohner wegen nächtlichen Lärms erfolgreich geklagt hatten: „So etwas darf in der Schiffbauergasse nicht passieren.“ Die Bauverwaltung geht nicht von einer Beeinträchtigung des Kulturlebens aus. Demnächst würden die Kulturschaffenden vor Ort, die schon Ende Januar in einem Brief an Kulturdezernentin Iris Jana Magdowski (CDU) gegen die Boardinghaus-Pläne protestiert hatten, in einer offiziellen Runde informiert, kündigte Stadtsprecher Schulz an.
In der Stadtpolitik regt sich unterdessen bereits Widerstand. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg warf der Bauverwaltung gestern „Trickserei“ vor. Seine Partei werde sich mit dem Projekt auseinandersetzen und gegebenenfalls Beschränkungen fordern. Aus dem Ruhestand gegen das Boardinghaus trommeln will Eberhard Kapuste (CDU). Vom damaligen Chef der CDU-Fraktion und des Kulturausschusses stammte der Antrag, der das Wohnen am Kulturstandort ausschließen sollte. Das Onnen-Projekt sei ein „klarer Verstoß“ gegen den Willen der Stadtverordneten, sagte er den PNN. Er werde sich bei der CDU dafür starkmachen, dass das Vorhaben gekippt werde. SPD-Fraktionschef Mike Schubert verlangte Aufklärung von Klipp. Für eine Abkehr von Stadtverordnetenbeschlüssen „muss er eine Begründung haben“.
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