
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Wohnprojekt für „23 Riesen“
Neuer Raum für alle Generationen: Das verfallene Haus in der Heinrich-Mann-Allee 23 soll saniert werden
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Teltower Vorstadt - Einer Spezies auf Potsdams Dächern droht das Aussterben: den Birken. Wenn es nach einer Gruppe Gleichgesinnter geht, sind auch die Tage der „Dach-Birken“ in der Heinrich-Mann-Allee 23 gezählt. Dort, neben dem Kursana-Seniorenheim, wo heute zerschlagene Scheiben und vernagelte Fenster das Bild prägen und eine wilde Plakatwand an der Fassade noch das deutlichste Anzeichen menschlichen Lebens ist, soll bald ein gemeinschaftliches Wohnprojekt entstehen. Keine Kommune und auch kein Wohnheim – nein, separate Wohnungen und finanziell eigenverantwortliche Haushalte werden es zumeist sein. So weit, so konservativ.
Ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt, in dem der pensionierte Lehrer Nachbars Kindern Nachhilfe gibt und der passionierte Tüftler die Computer der Nachbarschaft von Viren befreit. Wo die Bewohner gemeinsame Spieleabende oder Konzertbesuche planen und ihnen auch sonst der Geist nach Gemeinschaft steht. So weit, so alternativ.
Bis dies Wirklichkeit wird, muss aber noch viel geschehen auf dem Grundstück. Zwei Häuser mit historischer Fassade warten auf ihre Sanierung. Ein drittes Haus soll entstehen. Eigentlich wird dies gar kein eigenständiges Haus sein. Mit dem Neubau soll lediglich die Lücke in der Straßenfront zwischen dem Vorderhaus und dem Seniorenheim geschlossen werden. Neubau und bestehendes Vorderhaus werden ein gemeinsames Treppenhaus bekommen und so ein einziges Haus bilden. Das jedenfalls sehen die Planungen der mit den Arbeiten betrauten Architektin Irene Mohr vom Berliner Büro „Mohr und Winterer“ vor.
Ein „schlichter, zurückhaltender Bau“ soll es werden, so Mohr. Obwohl nicht höher als der Altbau, wird der Neubau eine Etage mehr haben. Dies erreiche man, erklärt Mohr, durch eine geringere Geschosshöhe im Neubau. Auch das Hinterhaus werde saniert und – ebenso wie das Vorderhaus – einen Fahrstuhl bekommen. Ansonsten wolle man die Eigenarten der Gebäude so weit wie möglich erhalten, betont die Architektin. Der Umbau werde zudem unter baubiologischen Gesichtspunkten erfolgen.
Eine Baugenehmigung für das Projekt liege schon vor. Der bisherige Grundstückseigentümer, nach Angaben Mohrs eine Immobiliengesellschaft aus Berlin, habe die Genehmigung seinerzeit noch erhalten und an die Träger des geplanten Wohnprojekts quasi zusammen mit dem Grundstück verkauft, so Architektin Mohr. Gekauft hat das Grundstück die Stiftung Trias mit Sitz im nordrhein-westfälischen Hattingen, wie Rolf Novy-Huy von der Stiftung auf PNN-Anfrage bestätigt. Laut einer Broschüre von Trias ist es unter anderem Zweck der Stiftung, Grund und Boden der Spekulation zu entziehen. Dementsprechend stelle man das Grundstück für das Wohnprojekt zu einer besonders geringen Erbpacht zur Verfügung, erklärt Novy-Huy.
Erbbaurechtsnehmer ist laut Novy-Huy das Berliner Martinswerk, das mit diesem Projekt das selbstverwaltete Wohnen fördern und zudem Wohnraum für Studenten schaffen möchte. Denn geplant ist, neben den Wohnungen auch Raum für zwei studentische Wohngemeinschaften zu schaffen, wie Martinswerk-Geschäftsführerin Marlene Oberreit den PNN erklärte. Das Martinswerk wiederum werde mit dem Verein „23 Riesen“, in dem sich schon einige der zukünftigen Bewohner zusammengeschlossen haben, einen Selbstverwaltungsvertrag abschließen, sagt Wilfried Naber, einer der Bewohner in spe. Die Mieter sollen ihre Wohnungsmietverträge dann von diesem Verein erhalten.
Der Vereinsname leitet sich nach Angaben von Naber aus der Hausnummer des Grundstücks und dem Namen Robert Riese ab. Riese hatte auf dem Grundstück einst ein Steinmetzgeschäft betrieben, worauf eine Inschrift am Haus noch immer hinweist.
Man wolle versuchen, die Warmmiete für die Wohnungen unter 10 Euro pro Quadratmeter im Monat zu halten, so Mohr und Naber. Zudem müsse von den Wohnungsmietern pro Quadratmeter Wohnfläche eine einmalige Einlage von 111 Euro entrichtet werden, sagt Naber. Günstiger sei dieses Projekt in Potsdam einfach nicht zu realisieren. Die Miete werde laut Naber später von den Mietern an den 23-Riesen-Verein gezahlt. Dieser werde einen Betrag an das Martinswerk zahlen, das damit die für die Sanierungsarbeiten aufgenommenen Kredite zurückführen müsse, erklärt Vereinschefin Oberreit. Zudem zahle das Martinswerk die Erbpacht an die Stiftung Trias.
Neben den Wohnungen und den studentischen Wohngemeinschaften soll es laut Naber auch einen Gemeinschaftsraum und eine Gästewohnung geben. Die Schaufensteröffnungen im vorderen Altbau werde man erhalten beziehungsweise wieder herstellen, erklärt Architektin Mohr. Derzeit plane man, die Flächen im dortigen Erdgeschoss an eine Kindertagesstätte zu vermieten. Ob dies gelingen werde, sei jedoch offen, sagt Mohr.
In einem Flyer bezeichnen sich die „23 Riesen“ selbst als „eine undogmatische, bunt gemischte Gruppe von Menschen“. Verbunden seien sie durch „die Idee von gegenseitiger Hilfsbereitschaft und einem Gemeinschaftssinn, der über die üblichen nachbarschaftlichen Kontakte hinausgeht“. Der zukünftige Bewohner Naber sieht in der geplanten Hausgemeinschaft auch einen „Ersatz für die Großfamilie“, die mittlerweile quasi ausgestorben sei. Für Gabriele Klausmeyer, die ebenfalls in eine der Wohnungen einziehen möchte, liegt der Reiz des Projekts darin, einerseits in einer separaten Wohnung zu wohnen, andererseits aber am Leben der Gemeinschaft teilhaben zu können, wie sie erläutert.
Wann die Träume vom gemeinschaftlichen Leben Wirklichkeit werden und die ersten Bewohner einziehen können, steht indes noch nicht fest. Architektin Mohr hofft, dass es Ende 2012 so weit ist. Noch seien nicht alle Wohnungen vergeben, heißt es aus dem Verein. Interessenten, egal ob jung oder alt, seien herzlich willkommen, so die „23 Riesen“.
Weitere Informationen zum Projekt gibt es per E-Mail an: 23riesen@web.de.
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