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Landeshauptstadt: Wunder geschehen

Was kann Potsdam vom Wiederaufbau der Frauenkirche lernen? Ein Dresdener berichtet, wie es gemacht wurde.

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Was kann Potsdam vom Wiederaufbau der Frauenkirche lernen? Ein Dresdener berichtet, wie es gemacht wurde. Der Wiederaufbau der Frauenkirche schien unmöglich. Die Dresdener taten es dennoch. Das Wunder von Dresden – wie war es möglich? Kann es wieder geschehen? Diesmal in Potsdam, mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche? Die Antwort auf diese Fragen überließen die Mitglieder der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche und des Industrieclubs Potsdam am Dienstagabend in der Villa Arnim einem Mann, der als Mitglied des Stiftungsvorstandes Frauenkirche zum harten Kern der Wundervollbringer von Dresden gehört: Dr. Hans-Christian Hoch. Dessen Vater war Pfarrer. Ein Tag nach dem Bombenangriff auf Dresden, am 15. Februar 1945, gegen 9 Uhr, blickte dieser vom Balkon mit dem Fernrohr auf das beschädigte Gotteshaus und meinte, so schlimm sehe es gar nicht aus. Eine Stunde später fiel die Kirche in sich zusammen. Ein Wiederaufbau war in der DDR unmöglich. Dann kam der Oktober 1989 – und in Hochs Vortrag der Satz, der auch als ein Ratschlag (oder Seitenhieb?) für Potsdam zu verstehen sein kann: „Die Gunst der Stunde nutzen.“ Am 18. März 1990 war der Frauenkirchen-Förderverein der erste, der als freier Verein in Dresden angemeldet wurde. 250 Millionen DM wurde als Nettobetrag gebraucht, der harte Kern um Hoch bildete einen Vorstand, gründete Arbeitsgruppen und suchte fachlichen Beistand. Architekten aus ganz Deutschland wurden geladen – und da ist der zweite Tipp aus Dresden: Wenige Architekten wollen einen originalen Aufbau, viele kommen mit tollen Vorschlägen – alle wurden verworfen. Hoch: „das Gute liegt so nah“: Die Ingenieure der Semperoper, einer Dresdner Firma, bekamen den Zuschlag. Widerstände kamen auf: Es wäre zu wenig vom Originalmaterial da, so ein Vorwurf. Dem wurde das Schlagwort der „archäologischen Rekonstruktion“ entgegengesetzt. Wieso macht ihr nicht erst die Straßen und Wohnhäuser, fragten viele. „Wir erklärten den Leuten, dass es verschieden Arten von Geld in verschiedenen Töpfen und nicht mehr ein Nationaleigentum gibt“, berichtete Hoch. Auch in der Kirche gab es Bedenken, da eine Gemeinde nicht vorhanden war. „Wir sprachen von Übergemeindlichkeit und dass der Wiederaufbau eine große missionarische Aufgabe ist. So haben wir die Kirche gewonnen.“ Einen wichtigen Satz in der ideologischen Debatte habe Bischof Hempel gesagt: „Wunden heilen ist besser, als Wunden offen zu lassen.“ Wichtig sei laut Hoch das Nutzungskonzept. „Der Spender muss wissen, wofür er spendet“. Die Frauenkirche war berühmt für ihre Akustik, eignet sich als Konzerthalle. Wagner komponierte für das Gotteshaus „Das Liebesmahl der Apostel“. Im Gespräch mit Richard von Weizsäcker einigte man sich, den Kirchenaufbau „nicht politisch zu überfrachten“ und „nicht irgendwelche Zentren einzurichten“. Eine Anlehnung an eine Partei oder eine Konfession lehnt Hoch ab: „Sie müssen Vereinendes als Ziel setzen“. Hoch nannte aber folgendes Argument würdigenswert: „In Europa, wo man mehr Moscheen baut, ist es schön, auch mal wieder eine Kirche zu bauen“. Der Zahnarzt und Pfarrerssohn erinnerte daran, dass viele Investoren Sympathie mit der Frauenkirche hegen, die Bebauung des Neumarktes beflügelt wurde, die Hotels oft ausgebucht sind – kurz: sich die zehnprozentige Beteiligung der Stadt an den Baukosten, verteilt auf zehn Jahre, als gute Anlage erwies. „Politische Amtsträger müssen mit einbezogen werden, damit das Ganze Gewicht bekommt“, so Hoch. Prominente haben jedoch Eigeninteressen: „Tue Gutes und rede darüber.“ Schöne Spendenquittungen und Urkunden für die Wand seien nötig. Als Top-Geldbringer haben sich die Uhren mit den Originalsteinen in 16 Editionen zu je 25000 Stück, die zehn DM-Gedenkmünze und die Stifterbriefe entwickelt: Die Uhren brachten 6,5 Millionen, die Münzen 22 Millionen, die Briefe gar 80 Millionen Euro. Laut Hoch müssen sich die Spender mit dem Projekt identifizieren können. Ein Film warb für Steinpatenschaften: „Gönnen auch Sie sich ein Stück Unvergänglichkeit.“ Hochs vielleicht wichtigster Tipp an Potsdam: Die Zustimmung in Dresden stieg mit dem Baubeginn von 25 Prozent auf jetzt über 80 Prozent. „Sie müssen zeigen, dass es los geht!“

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