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Sport: Wunderbar einfach

Aufhören kann genauso wertvoll sein wie eine Marathonzeit unter drei Stunden

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Es ist gelaufen. Das erste Jahr von „Brandenburg läuft“, das in Potsdam mit einem Projekt der Potsdamer Neuesten Nachrichten, der AOK Nordost und der Laufschule gotorun gestartet ist, geht zu Ende. Zehn Läufer – mehr als hundert hatten sich beworben – wurden ein Jahr betreut und begleitet bei ihrem Lauftraining oder dem Versuch, Laufen als eine regelmäßige Übung für mehr Fitness und Gesundheit in ihren Alltag zu integrieren. Die Ziele zu Beginn waren ganz verschieden: mehr Ausdauer bekommen, eine Routine entwickeln, schneller werden, Stress abbauen, einen Halbmarathon oder Marathon schaffen.

Die Vorhaben waren so vielfältig wie die Möglichkeiten und Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer. Nach einem Jahr lässt sich sagen: Das Projekt war erfolgreich. Nicht, weil etwa alle Ziele erreicht wurden – nicht jeder kam da an, wo er es sich vor zwölf Monaten gewünscht oder vorgestellt hatte. Ein Erfolg war das Projekt deshalb, weil es viele Erkenntnisse und Erfahrungen geliefert hat – sowohl für jeden einzelnen Teilnehmer als auch für die Allgemeinheit. Denn das, was die zehn Läufer in ihren Blogs geschrieben, was sie beim Training oder Laufveranstaltungen erlebt haben, ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Bis etwas routiniert läuft, kostet es Zeit und Mühe.

Die individuell gewonnene Erfahrung, dass Laufen nicht der Sport ist, der einem Zufriedenheit und Genugtuung verschafft, ist genauso wertvoll wie die Marathonzeit unter drei Stunden. Zwischen diesen Polen spannt sich der Erfahrungshorizont der vergangenen zwölf Monate. Die Frage ist, was man mit dieser Erkenntnis macht, wie jeder Einzelne damit umgeht und wie andere davon profitieren können. Allein die Erfahrung, dass Laufen ein schöner Ausgleich ist, dass es fit und gesund hält, ist kaum etwas wert, wenn man diese nicht immer wieder aufs Neue macht. Das Wissen um die Benefits des Laufens allein macht nicht fit und gutgelaunt. Man muss sich das immer wieder abholen. Das immer wieder Loslaufen fällt manchen leichter als anderen. Die richtige Motivation und das richtige Ziel finden, ist mitunter eine Kunst. Auch das ist eine Erkenntnis aus diesem Laufprojekt.

Der beste Wegweiser, um das richtige Ziel zu finden, ist der zu sich selbst – das ist eine Erfahrung, die das Trainerteam von gotorun durch die Teilnehmer von „Potsdam läuft“ bestätigt bekommen hat. Sich selbst etwas Gutes tun, Zeit für sich nehmen, sich selbst beim Wort nehmen, sich vertrauen und sich selbst etwas zutrauen, sich gegenüber ehrlich sein, sich selbst einschätzen und auf seinen Körper hören können – das sind wichtige Hinweisschilder beim Finden und Erreichen eines Ziels. Nicht selten müssen eigene Freiheiten im Alltag immer wieder erkämpft werden. Es gibt zahlreiche Hürden, die sich in den Laufweg stellen – der Alltag selbst mit Job, Kindern, Partner, Familie, mangelnde Fitness, Unlust erscheinen mitunter als ein zu großes Hindernis fürs Laufen. Laufen kann helfen, um eben diese Hürden zu nehmen.

Das „Potsdam läuft“-Projekt hat keinen Unterschied zutage gebracht, ob Laufen Frauen oder Männern leichterfällt, ob Männer sich besser motivieren können oder Frauen, wer mehr Ausreden findet oder wer ehrgeiziger ist. Vielmehr hat es gezeigt, dass Laufen etwas wunderbar Einfaches ist, was mitunter schwer zu machen ist.

Der Autor ist Trainer in der Potsdamer Laufschule gotorun

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