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Homepage: Würde ist kein Rummelspaß

Uni-Tagung zur Rolle der Menschenrechte

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Menschenrechte sind keine bequeme Angelegenheit. „Sie sind immer erkämpft worden“, stellte Petra Follmar-Otto vom Deutschen Institut für Menschenrechte unlängst auf einer Tagung zu Menschenrechten und Zuwanderung an der Potsdamer Universität fest. Das gelte für die Menschen, die im „arabischen Frühling“ ihr Leben unter Gewehrsalven von Ghaddafis oder Assads Schergen gelassen hätten. Aber auch die Flüchtlinge, die im November bei Temperaturen knapp um Null vor dem Brandenburger Tor kampieren, würden universelle Menschenrechte einfordern. Die Flüchtlinge fordern unter anderem die Abschaffung der Residenzpflicht, also der Pflicht, sich in einem bestimmten Bundesland aufzuhalten, eine schnellere Arbeitserlaubnis und die Klärung des Rechtsstatus geduldeter Flüchtlinge. Nicht zuletzt ein Hungerstreik der Protestierer veranlasste Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, zu einer eindringlichen Diskussion über die Lage der Flüchtlinge.

Aus den Menschenrechten lasse sich keine umfassende Theorie für alles Gute in der Welt ableiten, konstatierte der Philosoph Georg Lohmann auf der Tagung, die im Rahmen des zweiten „Menschenrechtstages“ der Uni Potsdam stattfand. Vielmehr seien die Menschenrechte entsprechend den jeweiligen historischen Begebenheiten und den unmittelbaren Umständen zu betrachten. Zwar reiche die Geschichte der Menschenrechte von der Antike über die Aufklärung bis in die Neuzeit. Aber die rechtliche Kodifizierung habe spät stattgefunden.

Erst unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges habe sich, abseits des Gedankens eines allgemeinen Willkürverbotes, die Erkenntnis durchgesetzt, dass es „Verbrechen gegen die Menschheit“ gebe, betonte Lohmann. Dieser Gedanke sei durchaus neu gewesen. Denn zuvor waren Rechte einzelner Menschen gegenüber dem Staat stets mit der Staatsangehörigkeit verbunden. Der Einzelne habe nur in einem bestimmten Staat seine Rechte einklagen können. Nicht zuletzt aufgrund des Massenmordes durch die Nazis habe sich dann die Erkenntnis durchgesetzt, dass das einzelne Individuum eine universelle Würde habe und daraus unabhängig vom jeweiligen Staat Menschenrechte ableiten könne. So verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“.

Petra Follmar-Otto betonte dennoch, dass es auch gegenwärtig in Europa schwierig sei, festzustellen, wer wann welche Rechte in Anspruch nehmen könne. Beispielhaft verwies sie auf einen Vorfall im Frühjahr dieses Jahres, der unter dem Stichwort „Hirsi-Jamaa-Fall“ bekannt wurde. Migranten aus Eritrea und Somalia waren 35 Kilometer vor der italienischen Küste von Lampedusa von italienischen Grenzpolizisten aufgegriffen und umgehend nach Libyen zurückgeschickt worden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass dies unabhängig von europäischen Gesetzen zum Schutz entsprechender Landesgrenzen gegen die Menschenrechte verstoße. Denn die Menschenrechtslage in Libyen, Eritrea und Somalia sei gegenwärtig katastrophal. Im Gegenzug stellte Lohmann fest, dass es allerdings nicht Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes sei, Menschenrechte in Niger oder anderen afrikanischen Staaten zu verwirklichen.

Während die Menschenrechte stets eine juristische Komponente hätten, verhalte es sich bei der Menschenwürde ein wenig anders, dieser hafte eine moralische Komponente an, so Lohmann. Der Philosoph verdeutlichte dies an dem kuriosen Beispiel des Zwergenweitwurfs. In Frankreich sei es zu einem Rechtsstreit über den sonderbaren Jahrmarktsspaß gekommen, als ein Gericht diesen verbot. Die von stärkeren Männern geworfenen Zwerge hatten sich daraufhin um eine Einnahmequelle beraubt gesehen. Deshalb hätten sie versucht, die Erlaubnis zum zweifelhaften Flugvergnügen vor Gericht zu erstreiten. Daraufhin sei jedoch auch der Oberste Französische Gerichtshof der Ansicht gewesen, dass die Zwerge eine Würde hätten, die auch sie nicht freiwillig veräußern könnten. Also dürften sie auch nicht mit ihrem Einverständnis geworfen werden, jedenfalls nicht zu kommerziellen Zwecken. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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