Tag der Wissenschaften in Potsdam: Wurmkekse und Roboter
Zum Potsdamer Tag der Wissenschaften in Golm kamen rund 15 000 Besucher. Für die Zukunft der Menschheit wurde experimentiert und probiert.
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Potsdam - Etwas zaghaft beißt der zwölfjährige Simon in den Keks, der ihm angeboten wird. „Das sind ,Wonder Worm Cookies’“, erklärt Sabrina Jaap vom Unternehmen TeneTrio. Neben Eiern und Butter brauche man dafür vor allem Mehlwurmmehl, wie auf dem Rezept zu lesen ist, das auch gleich zur Mitnahme bereitliegt. Dass Speisen aus Insekten mit Blick auf Ressourcenknappheit und Klimawandel eine Alternative zur herkömmlichen Fleischproduktion sind, davon sind Sabrina Jaap und ihre Geschäftspartnerinnen Katrin Kühn und Ina Henkel überzeugt. Am Samstag sind sie zum nunmehr fünften Potsdamer Tag der Wissenschaften in den Wissenschaftspark Golm gekommen, um über ihre Gründeridee zu informieren. Sie haben einen Hunde-Snack aus Mehlwürmern entwickelt, für den sie noch in diesem Jahr eine Zulassung anstreben.
Lebensmittel aus Insekten für Menschen herzustellen, das können sie sich auch gut vorstellen – aktuell ist das aber in Europa noch nicht zulässig. Ganz im Sinne des Mottos des Wissenschaftstages „Forschen. Entdecken. Mitmachen.“ ist es an diesem Tag den laut Veranstalter rund 15 000 Besuchern wie Simon jedoch möglich, eine Ahnung davon zu bekommen, wie die Zukunft mit Muffins oder Pasta aus Insekten schmeckt. Um ihn herum hat sich bereits eine kleine Menschenmenge angesammelt, viele andere wollen auch probieren.
Überhaupt ist das Interesse am Ausprobieren und Mitmachen auch an den rund 40 anderen Ständen im sogenannten Forschercamp des Unigeländes an diesem Tag riesig, genauso wie das Programm. Über 200 Angebote hat der Veranstalter proWissen Potsdam e. V. zusammengestellt. Rund 40 Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen gaben Einblicke in ihre Arbeit und die Möglichkeiten, wissenschaftliche Studiengänge und Berufe zu erlernen. In den Räumen der Gastgeber, der Fraunhofer- und Max- Planck-Institute, der Universität Potsdam und des Brandenburgischen Landeshauptarchivs können Interessierte einen Einblick in die jeweiligen Forschungen erhalten. Gravitationswellen etwa werden plötzlich hörbar oder das Eintauchen in Dunkle Materie wird möglich. Im Forschercamp können Kinder und Erwachsene an kleineren Experimenten teilnehmen, etwa einen Gesundheitstest absolvieren, chemische Experimente durchführen, Computerspiele und Roboter testen oder einen Sonnenkompass basteln. „Es gibt so viel, das schafft man alles gar nicht“, sagt die Mutter des zehnjährigen Johann, der gerade am Stand des Berta-von-Suttner-Gymnasiums einen weißen Kittel und Gummihandschuhe übergezogen hat, um in Reagenzgläsern Stoffstücke einzufärben. Auf einiges werden sie wohl verzichten müssen, sagt sie. Das sei schade, aber nicht zu ändern. Und im Vorfeld habe man ja auch im Programm auswählen können, wohin man gehen wolle.
So ist am Andrang an einigen Ständen abzulesen, dass das offenbar viele Eltern mit ihren Kindern so machten. Zielstrebig wird etwa der Stand der Technischen Hochschule Wildau gutbesucht, wo der Nao-Roboter „Roberta“ darauf wartet, das Neugierige mit ihm „Schere, Stein, Papier“ spielt. Gerade ist die neunjährige Vicky an der Reihe. Sie hält abwechselnd Schilder in die Höhe, auf der eine Faust, eine offene Hand und das Fingersymbol für die Schere zu sehen sind. Hält sie mit einem Schild inne, zeigt auch „Roberta“ mit ihrer Roboterhand eines dieser Handzeichen. „Ich hab einmal gewonnen und einmal stand es unentschieden“, freut sich das Mädchen am Ende des Spiels. „Der hat auch richtig mit mir gesprochen“, sagt sie. Dass diese Roboter aber neben einem spielerischen Einsatz auch durchaus darauf programmiert werden können, anderen Menschen den Alltag zu erleichtern, erklärt ein Mitarbeiter der Hochschule den Anwesenden. So könne man sie auf Gebärdensprache programmieren und in der Betreuung von autistischen Menschen einsetzen. Diesen falle eine Beziehung zu Dingen oft leichter, weshalb Ärzte sie auch als Zwischeninstanz bei therapeutischen Gesprächen einsetzten.
Dass Wissenschaft auf allen Gebieten dazu beitragen kann, die alltägliche Lebenssituation von Menschen zu verbessern, wird – wie am Beispiel „Roberta“ – auch an vielen anderen Info- und Mitmachständen an diesem Samstag thematisiert. Und auch, dass angesichts großer Probleme wie Klimawandel und Welthunger Forschungsprojekte und Start-ups wie das Unternehmen TeneTrio eine wichtige Rolle einnehmen, wird den Besuchern vermittelt. Indem es Kindern und Erwachsenen möglich ist, direkt mitzuexperimentieren, kommt das bei dieser Veranstaltung trotz Lehre ohne Belehrung aus – und lässt die Forschungseinrichtungen auf interessierten Nachwuchs und die Offenheit der Menschen für innovative Ideen hoffen.
Simon, der ganz mutig Süßigkeiten mit Insekten gekostet hat, zieht jedenfalls an diesem Wissenschaftstag das Fazit, dass die Wurmkekse „ganz normal“ schmecken. Und wenn es die Welt besser mache, könne er sich auch dran gewöhnen.
Andrea Lütkewitz
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