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Das war’s: Wurstgulasch und die Pille danach

Ich habe gewählt. Gestern in der Mensa.

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Ich habe gewählt. Gestern in der Mensa. Es gab Wurstgulasch oder Hähnchenspieße und ich habe Wurstgulasch gewählt. Und dank meiner unschönen Angewohnheit, beim Essen mit meinem Smartphone zu surfen, bin ich auf den Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl gekommen. Ich hielt das für eine gute Gelegenheit – jetzt, wo es nur noch wenige Tage sind und ich mir unsicher bin, wen ich wählen soll. Trotz TV-Duell. Ich fand Stefan Raab am besten.

Neulich hat mich mein Sohn gefragt, wen ich wähle. Wäre die Bundestagswahl anderthalb Jahre später, dürfte er selbst zum ersten Mal wählen. Wir standen gerade mit dem Auto an einer größeren Potsdamer Straßenkreuzung, die flankiert war von Plakataufstellern mit übergroßen Gesichtern der Kandidaten. Bei zwei Plakaten reduzierte sich die Botschaft lediglich auf die Namen und das Parteikürzel und den – logischen – Hinweis des beabsichtigten Bundestagseinzuges. „Würdest du die wählen?“, wich ich mit einer Gegenfrage an meinen Sohn aus. Der überlegte kurz und meinte: „Nö, ich kenn die doch gar nicht!“

Ich war bei Wahl-O-Mat-Frage 13 von 38, als sich eine Kollegin zu mir setzte – mit Bohnen, Reis und Salat. Sie kam genau richtig: „Soll die ,Pille danach’ rezeptpflichtig bleiben?“, entgegnete ich fragend ihrem „Guten Appetit!“ Genau zu dieser Frage war ich nämlich gerade aufgefordert worden, zuzustimmen, abzulehnen oder mich neutral zu verhalten. In Erinnerung an meinen letzten Arztbesuches dachte ich, dass es ohnehin Wochen dauert, bis man einen Termin bekommt und die Frage – unter Umständen – sowieso hinfällig wird. Doch klärte mich die Kollegin auf, dass man in solchen Fällen auch die Ambulanz aufsuchen und dort schnell ein Rezept für die „Pille danach“ bekomme.

Ich stimmte zu.

Die Essensportion reichte nicht für die 38 Fragen, sodass ich meine Mittagspause verlängern musste. Am Ende des Desserts und nach einem halben Becher Kaffee lag das Ergebnis vor: Ich habe nach wie vor keine Ahnung, wen ich wählen soll. Ich habe offenbar eine große Schnittmenge produziert, sodass sich ein virtuelles Kopf-an-Kopfrennen zwischen den Parteien um meine Wählergunst entwickelt hat. Ich beneidete meinen Sohn: Er hätte treffsicher Wurstgulasch gewählt.

Peter Könnicke ist freier Journalist und arbeitet als Lauf- und Fitnesstrainer.

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