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Mehr Inhalte. Ein Studium sollte nicht nur BWL sein, sagt Folkert Uhde.

© J. Schilgen

Von Anja Priewe: Yogamatten statt Samtsessel

Der Kulturmanager Folkert Uhde zeigt Potsdamer Studenten, wie man auch in Krisenzeiten im Musikgeschäft Erfolg haben kann

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Bei Folkert Uhde liegt das Konzertpublikum auf Yogamatten und entspannt sich bei Klängen von Bach und Händel. Wenn am späten Abend konventionelle Musikveranstaltungen bereits ausklingen, beginnt im „Radialsystem V“ die etwas andere Show. Liebeslieder der französischen Troubadours erklingen neben modernen Pop-Rhythmen, die von schrillen Videoinstallationen begleitet werden. Es sind vor allem die Schlagworte „Vielfältigkeit“ und „Dialog“, die das Gestaltungskonzepts von Folkert Uhde und seinem Partner Jochen Sandig bestimmen.

Im Sommersemester 2009 engagierte sich Folkert Uhde erstmals am Institut für Musikwissenschaft der Universität Potsdam. Hier war sein innovatives Projekt den Lehrenden schnell zu Ohren gekommen und man bot ihm kurzerhand einen Lehrauftrag an. In einem Planspiel konfrontierte er die Studenten mit verschiedenen Problemen, die es als Kulturveranstalter zu beachten gilt. Aus erster Hand erfuhren die Studenten von den alltäglichen, teils sehr profanen Hindernissen einer Unternehmensgründung: „Zum Beispiel, dass man sich vorher auch Gedanken darüber machen sollte, wo der Feuerlöscher hängen muss“, berichtet Uhde und lacht.

Die Zusammenarbeit mit der Universität war für ihn eine spannende Erfahrung: „Die jungen Leute waren mit großem Eifer bei der Sache und entwickelten sehr ausgereifte Projekte, die Realisierungschancen haben“, erzählt er begeistert. „Überhaupt stieß der Studiengang Angewandte Musikwissenschaft an der Uni Potsdam auf eine Lücke. Die praktische Ausrichtung, wie sie hier angeboten wird, halte ich für absolut sinnvoll.“

Auch Markus Böggemann vom Institut für Musik und Musikpädagogik der Universität Potsdam ist mit dem Ergebnis zufrieden. „Die Studenten waren von dem Seminar sehr angetan. Es ist eben etwas ganz anderes, wenn jemand konkret aus der Praxis berichten kann“, sagt Böggemann, der die Zusammenarbeit mit Uhde organisiert hat. „Darüber hinaus entstanden Netzwerke“, so Böggemann. Vor allem darin sieht der Dozent einen Gewinn für seine Studenten. Das Institut bemüht sich nun, Folkert Uhde für eine weitere Dozententätigkeit zu gewinnen.

Folkert Uhde hat sich für seine eigenen Projekte zum Ziel gesetzt, neue Konzert- und Musiktheaterformate zu installieren, Althergebrachtes wiederaufzunehmen und neu zu entdecken. Auf diese Weise will er mit Konventionen brechen und Denkprozesse anstoßen: „Mir ist es wichtig, mit meiner Arbeit nicht stehen zu bleiben. Traditionen verändern sich laufend. Dem gilt es Rechnung zu tragen.“ So ist etwa der Konzertfrack bei den Orchestermusikern bis heute obligatorisch. „Unsere Gesellschaft hat sich aber doch weiterentwickelt! Deshalb müssen wir die Veränderungen in unserer Arbeit berücksichtigen.“ Konkret heißt das für ihn zum Beispiel, auf die engen Sitzreihen zu verzichten, wenn diese das Klangerlebnis beeinträchtigen.

Folkert Uhde möchte Freiräume für Neues in der Kulturszene schaffen. Das „Radialsystem V“ spiegelt diesen Wunsch wider und behält den Dialog zwischen Alt und Neu im Blick. Das Konzept brachte Uhde Ende vergangenen Jahres den Titel „Kulturmanager des Jahres 2009“ ein. Der Preis ehrt Uhdes innovative Herangehensweise, eine kulturelle Institution zu etablieren und für neue Publikumskreise zu öffnen. Darüber hinaus war es auch sein privatwirtschaftliches Engagement, das die Preisrichter würdigten. Seitdem ist der Terminkalender des zweifachen Familienvaters noch voller – derzeit jagt er von einem Termin zum nächsten. So fährt er schon mal für einen Tag nach Brüssel, um kurz darauf bei der Eröffnung des neuen Museums „Maxxi“ in Rom dabei zu sein.

Am liebsten aber ist er in Berlin. Für die Zukunft wünscht er sich, das „Radialsystem V“ einmal so bekannt zu machen, dass Künstler von überall her zu ihm kommen und er selbst nicht mehr so viel reisen muss. Der in Wilhelmshaven geborene Uhde war „schon fast überall“ auf der Welt. Sein Weg führte ihn zunächst über eine Ausbildung zum Radio- und Fernsehtechniker zum Studium der Kommunikations- und Musikwissenschaft an die Technische Universität Berlin. Parallel dazu erlernte er Barockvioline an der Akademie für Alte Musik Bremen.

Allein Kulturmanagement zu studieren, davon rät der heute 44-Jährige jungen Menschen ab: „Man muss doch Ahnung haben, worüber man spricht. Dazu gehört auch, dass ich weiß, wie es sich anfühlt ein Instrument zu spielen“, sagt er. Daher plädiere Uhde für einen inhaltlichen Studiengang, anstatt sich in einem rein betriebswirtschaftlichen Studium einzig mit den Strukturen zu befassen.

Dass man einen langen Atem braucht, um als Kulturmanager zu bestehen, weiß Folkert Uhde nur zu gut. Selbst nach drei Jahren, in denen sich sein „Radialsystem V“ erfolgreich in der Kulturszene etablieren konnte, weiß er, dass er über die eigentliche Gründungsphase noch nicht hinaus ist. „Zwar konnte das Haus seit seiner Eröffnung steigende Publikumszahlen verzeichnen, das ist aber noch lange kein Grund zum Zurücklehnen“, sagt er. Dennoch hat sich seit den Anfängen viel getan. Manchmal allerdings wünscht er sich in die Zeit vor Beginn seiner Karriere zurück. „Da konnte man sich einfach mal so mit Künstlern treffen und unbedarft philosophieren, ohne gleich die Wirtschaftlichkeit der Idee zu berücksichtigen.“

Anja Priewe

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