Landeshauptstadt: Zahlen, bitte!
Bis Sonntag macht die MS Wissenschaft an der Langen Brücke Station. Dort dreht sich alles um Mathe
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Innenstadt - Jann Jakobs schafft es sofort. Ein Blick genügt Potsdams Oberbürgermeister, dann löst er die Aufgabe: Er hängt ein Bild mit einer Schlaufe an zwei Nägeln so auf, dass das Bild herunterfällt, wenn man einen der beiden Nägel aus der Wand zieht. Zugegeben, direkt alltagstauglich scheint das nicht zu sein. Dabei hatte Jakobs bei der Begrüßung der „MS Wissenschaft“ kurz zuvor betont, dass Mathematik „direkt hinein ins Leben“ führe. Denn passend zum „Jahr der Mathematik“ dreht sich auf dem Wissenschaftsschiff, das noch bis Sonntag im Potsdamer Hafen Station macht, alles um Zahlen, Formen und Formeln.
Es ist bereits die siebente Reise des 105 Meter langen Schiffes, das 2002 in Potsdam getauft wurde. Insgesamt 39 Exponate haben die Ausstellungsmacher von Wissenschaft im Dialog – einem Verband deutscher Wissenschaftorganisationen – in diesem Jahr zusammengestellt. Das abstürzende Bild veranschaulicht dabei das Spezialgebiet der „algebraischen Topologie“ – und damit Formeln, die zum Beispiel die Gravitationsphysiker des Albert-Einstein-Instituts auf dem Telegrafenberg täglich anwenden.
„Für mich ist die Mathematik mein Hauptwerkzeug“, erklärte Institutsdirektor Bernard F. Schutz gestern. Ohne Mathematik könne er sich mit seinen Kollegen nicht über Versuche und Theorien austauschen. „Mathematik ist die Sprache der Natur, deswegen ist sie für alle Naturwissenschaftler sehr wichtig“, sagte Schutz.
Auch die Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) haben fünf Exponate für das Mathe-Schiff bereitgestellt, darunter ein Modell, an dem der Verlauf einer Tsunami-Welle beobachtet werden kann. In einem Glaskasten von den Größe einer Tischtennisplatte ist ein Küstenstreifen mit Meer nachgebaut. Mit einem Balken, den man auf die Wasserfläche fallen lässt, erzeugt der Besucher darin eine Welle – und kann verfolgen, wie sie sich ausbreitet. Auf offenem Meer bewegt sich eine solche Welle mit bis zu 900 Kilometern pro Stunde, ist jedoch mit einer Höhe von 60 Zentimeter eher flach, erklärte GFZ-Forscher Franz J. Ossing. Je flacher jedoch der Boden wird, umso langsamer und höher wird die Welle. Fast eine Viertelmillion Menschen sind dem Tsunami vom 26. Dezember 2004 zum Opfer gefallen, erinnerte er. Viele davon noch Stunden nach dem Beben, das die Welle ins Rollen gebracht hatte. Am 11. November 2008 soll ein vom GFZ entwickeltes Tsunami-Frühwarnsystem für den Indischen Ozean in Jakarta in Betrieb gehen, erklärte Ossing. Damit könnte die Zahl der Toten bei einer ähnlichen Katastrophe zumindest reduziert werden, so der Geoforscher. Jann Jakobs hat verstanden: „Mathematik, um zu überleben.“
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