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Kraterlandschaft. Nach einem halbstündigen Bad in Obstsaft ist die Zahnoberfläche schwer angegriffen.

© ZMK Uni Bern

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Ohne Bohren: Andreas Taubert will Zähne heilen

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Beim Blick auf diese Bilder wünscht man Andreas Taubert Forschungserfolge. Und zwar schnell. Zu sehen ist die Oberfläche eines Zahnes unter dem Mikroskop – auf der ersten Aufnahme fast makellos poliert, auf den folgenden nach einem Bad in einer Zitronensäurelösung, die mit einem pH-Wert von 3,6 genauso sauer wie Orangensaft ist. „Schon nach 30 Sekunden sind Effekte sichtbar“, beschreibt Taubert die Wirkung des Experiments, das an der Zahnklinik der Uni Bern durchgeführt wurde. Nach acht Minuten wirkt der Zahnschmelz gefurcht, weitere 24 Minuten später präsentiert sich eine regelrechte Kraterlandschaft. Durch die Säure wird Kalzium und Phosphat aus dem Zahnschmelz buchstäblich „herausgewaschen“, erklärt Taubert.

Das sieht nicht nur unschön aus. Die aufgeraute Oberfläche bietet auch beste Ansiedlungsbedingungen für Kariesbakterien, die dann für weitere Zerstörung sorgen können. Und ist der Schmelz erst ruiniert und Zahnbein oder gar Zahnmark oder Nerv liegen offen, dann tut es richtig weh – und Keimen ist eine Schleuse in den Körper hinein geöffnet: „Sie können sich über so einen kaputten Zahn relativ effektiv fiese Infektionen einfangen“, weiß Andreas Taubert.

Aber der gebürtige Schweizer ist kein Zahnmediziner, sondern Chemiker. An der Universität Potsdam hat er jetzt nach sechs Jahren als Juniorprofessor den Karrieresprung zum Professor für Supramolekulare Chemie und Anorganische Hybridmaterialien gemacht. Mit Kooperationspartnern vom Golmer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und aus dem In- und Ausland forscht er an Substanzen zur Remineralisierung von angegriffenen Zähnen. „Wir wollen ein System erzeugen, um diesen Prozess wieder rückgängig zu machen, um die Gruben wieder zu füllen – sodass sich Bakterien nicht mehr halten können“, erklärt Taubert. Denkbar sei etwa eine Mundspülung, mit der kleinste Schäden geflickt werden können – ohne dass der Zahnarzt den Bohrer ansetzen muss.

Gleichzeitig dämpft er aber die Erwartungen auf rasche Ergebnisse: „Es gibt noch einen Haufen Probleme zu lösen.“ Taubert rechnet mit fünf bis zehn Jahren weiterer Forschung, bis man überhaupt im Detail versteht, was im Mund chemisch alles abläuft. Denn ein Schauspiel wie mit dem eingangs beschriebenen Zahn würde am lebenden Objekt im Mund womöglich anders aussehen – wegen des Speichels, der den pH-Wert normalisiert und die Zähne damit schützt.

Grundsätzlich können Zähne auf zwei Arten geschädigt werden, erläutert Taubert: Durch Kariesbakterien und durch Zahnerosion nach dem Konsum säurehaltiger Lebensmittel und Getränke. Die Kariesbakterien werden erst mit einer Dosis Zucker, die über die Nahrung in den Mund gelangt, aktiv. Dann bilden sie Milchsäure, die den Zahn angreift.

Bei der Suche nach Lösungen, um solche Schäden zu reparieren, experimentierten die Forscher bislang mit Modelloberflächen aus Gold, das mit einer bürstenartigen Polymerschicht präpariert wurde. Dabei sei es immerhin schon gelungen, Kalziumphosphate wachsen zu lassen, wie sie möglicherweise auch für Zähne brauchbar wären. Denn Kalzium ist nicht gleich Kalzium, wie Taubert erläutert. Von den mehr als 20 verschiedenen bekannten Verbindungen sind praktisch nur zwei stabil genug für Zahnreparaturzwecke. Ein weiteres Problem sei, das Kalziumphospat an den richtigen Stellen kristallisieren zu lassen: „Nicht irgendwo im Mund, sondern am Zahn.“

Was passiert, wenn man die Polymerschicht auf eine Zahnoberfläche bringt, ist bisher ebenso ungeklärt wie die Frage nach dem genauen Einfluss von elektrischen Ladungen auf die Kristallisation. Die Wissenschaftler arbeiten außerdem daran, zu verhindern, dass sich auf Zähnen überhaupt erst der sogenannte Biofilm als Nest für Bakterien bildet. Es gebe aber auch schon vielversprechende Ergebnisse, die mit einem Partner aus der Industrie erzielt worden seien: „Über diese Sachen darf ich nicht reden“, entschuldigt sich der Chemiker. Jana Haase

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