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Menschenkenner. Der Anthropologe Michael Tomasello.

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Michael Tomasello über menschliche Intelligenz

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Sprache komme nicht aus der Logik, es gab etwas davor und das sei speziell menschlich, sagt Michael Tomasello. Was aber ist das Besondere an der menschlichen Sprache und Intelligenz? Worin liegt der entscheidende Unterschied, der den Menschen dazu befähigt, Bananen über Kontinente zu verschiffen, während Affen die Früchte nur vom unmittelbar bereitstehenden Baum greifen? Menschen und Affen seien fast gleich, jedenfalls genetisch gesehen, sagt Tomasello. Nur ein Prozent der Gene unterscheide sich. Entscheidend sei das menschliche Wissen um die Bedeutung von Gesten und Worten.

Wie der Mensch zur Sprache kommt und ob es ein Wissen gibt, das der Sprache vorgelagert ist, wollte schon der Philosoph Ludwig Wittgenstein wissen. Sprache sei unmittelbar mit dem menschlichen Handeln und der Geste verbunden, postuliere Wittgenstein. Querverbindungen zwischen dem Sprachphilosoph und der Anthropologie betrachtet das Potsdamer Einstein Forum in einem Symposium noch bis zum Freitag. „Die Sprache ist kein Reflex des Verstandes, vielmehr bildet sich die Welt erst durch die sprachliche Formulierung“, stellte Matthias Kroß vom Einstein Forum am Donnerstag fest, der das Symposium konzipiert hat. „Am Anfang war das Wort“, das habe schon die Bibel gewusst, erinnerte Kroß. Das Wort, die Sprache, meine bei Wittgenstein den ganzen Weltzusammenhang und das „Universum von Bedeutungen, dass allem zugrunde liegt“, erklärte auch Tomasello. Der 1950 geborene Psychologe ist gegenwärtig Direktor des Max-Planck-Institutes für Evolutionäre Anthropologie. Mit seiner vergleichenden Forschung zum Verhalten von Menschen und Affen und zahlreichen Veröffentlichungen zur menschlichen Entwicklung hat er international Aufsehen erregt.

Schon seine kleine Tochter wisse, dass der Fingerzeig auf den Rücken den Rucksack meine, erklärt Tomassello. Gestische Kommunikation finde vor der Sprache statt und sei die Voraussetzung menschlichen Handeln und Sprechens. Schon Wittgenstein sei davon ausgegangen, dass Bedeutung nichts sei, was nur in einem Kopf stecken würde. Sondern dass Bedeutung von Dingen dem Wissen des Einzelnen vorgelagert sei. Erst ein gemeinsames Verständnis von Dingen und Gesten mache die menschliche Kommunikation und Entwicklung möglich. Dieses Wissen fehle Tieren. „Der zwitschernde Vogel will nicht vor dem Fuchs warnen. Er zwitschert einfach nur“, bemerkt Tomasello.

Die Theorie des Ursprungs der Sprache in der Geste ist nicht Tomasellos Erfindung. Aber seine Deutung, die er auch auf Vergleiche des Verhaltens von Menschen und Affen stützt, ist neu. Nicht rücksichtsloser Egoismus stehe am Anfang der menschlichen Entwicklung. Vielmehr wolle der Mensch sich anderen mitteilen. Das unterscheide ihn vom Tier.

„Das Wissen von Tieren bleibt immer individuell. Nur der Mensch hat ein gemeinsames kulturelles Wissen, das er weitergibt“, so Tomasello. Durch das Zeigen auf Dinge, den Hinweis auf die Nahrungsmittelvorräte und die Bereitschaft, diese zu teilen, unterscheide der Mensch sich vom nahen Primaten. Wenn Tomassello hieraus allerdings auch den Ursprung der Sprache herleitet, stößt er auf die Schwierigkeit, erklären zu müssen, wie komplexe Syntax und Grammatik entsteht. Woher kommen die mehr als 6000 Sprachen weltweit? Ein einfaches Grunzen und der Fingerzeig auf die im Laborversuch den Affen hingelegten Früchte hätte für den frühen Menschen schließlich auch genügt. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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