Landeshauptstadt: Zeitaufwändiger „Gebührenmist“
Potsdams Ärzte verärgert über Pauschale: Geld sammeln verlangsamt Praxisbetrieb
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Potsdams Ärzte verärgert über Pauschale: Geld sammeln verlangsamt Praxisbetrieb Von Nicola Klusemann Trotz der zum Jahresbeginn eingeführten Praxispauschale von zehn Euro pro Quartal, sind die Wartezimmer der meisten Potsdamer Arztpraxen voll. Dies bestätigten zumindest viele der niedergelassenen Ärzte auf PNN-Nachfrage. Landesweit habe die neue Praxisgebühr teilweise für Verwirrung gesorgt, teilt die Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg mit. Potsdams Mediziner hingegen sprechen von durchweg reibungslosem Praxisbetrieb. Die Patienten seien ausreichend informiert. Dennoch sind die Ärzte sauer über die neue Regelung. Sie beschert ihnen einen höheren Verwaltungsaufwand und damit weniger Zeit für Beratung und Behandlung. Der Begriff „Praxisgebühr“ sei ja schon falsch, ist der Hauptgeschäftsführer der brandenburgischen Ärztekammer, Dr. Reinhard Heiber, verärgert. Tatsächlich handele es sich bei der Quartalspauschale um eine Kassengebühr, die die Ärzte für die Krankenkassen eintreiben müssten. Für die niedergelassenen Mediziner sei das Geld „nur“ ein Verwaltungsdurchgang, der dem Arzt-Patienten-Verhältnis schade, so Heiber. Einige der Hilfesuchenden nähmen nämlich fälschlicherweise an, dass der Arzt die Gebühr für sich behalte, vermutet der Kammer-Geschäftsführer. Damit der Patient einen Nachweis darüber hat, dass er bereits die zehn Euro gezahlt hat, wird er zu den Fachärzten überwiesen beziehungsweise erhält eine Quittung über den Betrag. „Das verlangsamt den Praxisbetrieb“, erklärt der Internist Dr. Klaus Funke. Die „Geldsammelei“ und das Ausstellen von Zahlungsbelegen sowie Überweisungen bedeuteten einen erheblichen Mehraufwand. „Und für den einzelnen Patienten längere Wartezeiten“, so Funke. Das befürchtet auch der Allgemeinmediziner und Naturheilkundler Marc-Alexander Lehmann. Allein gestern Vormitag zählte die Gemeinschaftspraxis Kinne und Lehmann rund hundert Patienten. Die meisten von ihnen brauchten gleich mehrere Überweisungen zu Fachärzten. Wegen der Erhebung der Gebühren gab es keinen Ärger. Alle hätten das Geld dabei gehabt. Wer allerdings ohne Portemonnaie erscheine, müsse damit rechnen, wieder nach Hause geschickt zu werden, sagte Lehmann. Außer in Notfällen sei diese Vorgehensweise sogar von der Kassenärztlichen Vereinigung den Ärzten so empfohlen. „Ich gucke mir den Patienten an und prüfe, ob er ein Akutfall ist oder ob ich ihn Geldholen schicken kann“, sagt auch die Diplom-Medizinerin Astrid Tributh. Bei ihr könne man aber auch die Pauschale mit EC-Karte entrichten. Ihr Wartezimmer war am gestrigen Montag gleich nach den Praxisferien „nicht gerade leer“. Sie habe gut zu tun gehabt. Sorge machten ihr allerdings die zunehmend längeren Wartezeiten. Im Schnitt hätten gestern die Patienten zwischen 30 Minuten und einer Stunde warten müssen. Der merklich höhere Arbeitsaufwand durch die Einführung der Praxisgebühr sei mehr als spürbar und kaum zu bewältigen. Das löse Unmut aus. Ihre Helferinnen seien derzeit damit beschäftigt, „diesen Gebührenmist zu kontrollieren und den Frust der Patienten abzufangen“, erklärt die Hausärztin. Zu ihren eigentlichen Aufgaben kämen die Schwestern erst nach der Sprechzeit, so Astrid Tributh. Normalerweise sei der Montag „Hauptkampftag“, gestern aber sei das Wartezimmer auffallend leer gewesen, sagte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Klaus Gottmann. Als Fachärzte sind er und auch beispielsweise Dr. Wolfgang Brandt auf Überweisungen der Hausärzte angewiesen. „Durch die andere Praxisstruktur sind wir nicht unmittelbar von der neuen Praxisgebühr betroffen“, sagt Brandt. Dennoch kennt er die Nöte seiner Kollegen. Die Kassengebühr sei nur das I-Tüpfelchen der ohnehin starken Belastung von Allgemeinmedizinern. „Da dürfen wir uns nicht wundern, wenn mehr und mehr von ihnen den verlockenden Angeboten aus dem Ausland folgen und das Land verlassen.“
Nicola Klusemann
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