Landeshauptstadt: Zeitreise mit dem Zweitakter
Im November wird er 50: der Trabant. In den Bahnhofspassagen ist der „Pappe“ nun eine Ausstellung gewidmet
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Beim Anblick des Motors kommen plötzlich nostalgische Gefühle hoch. Früher gab es das nie. Früher war der Blick auf den Motor mit einem Problem verbunden. Das Gute daran: Das Problem konnte man meist schnell und allein lösen. Das weniger Gute: Die Häufigkeit derartiger Probleme.
Wer die gestern in den Bahnhofspassagen eröffnete Ausstellung „Der Trabant ist 50 – geliebt, gehasst und unkaputtbar“ besucht, dem sei empfohlen auch ein wenig vom Rand her zu schauen. Dort vielleicht, in der Nähe des Ausgangs zur Humboldtbrücke hin, wo der erste Trabant steht. Dann wird man Männer jüngeren, mittleren und hohen Alters sehen, die beim Anblick der „Pappe“ kurz auflachen. Ein Lachen, das nach Ach-Herrje klingt und in dem ein wenig Missbilligung mitschwingt. Kurze Zeit später aber schon wird man den gerade noch Lachenden mit gedankenverlorenem Blick vor einem der fünf ausgestellten Fahrzeuge stehen sehen. Erinnerungen lassen sich nicht einfach mit einem Lachen überspielen.
Viel ist eigentlich nicht zu sehen in der Ausstellung „Der Trabant ist 50 – geliebt, gehasst und unkaputtbar“, die dem „ersten serienmäßigen Kunststoffauto der DDR“ gewidmet ist. Am 7. November wird der bekannte Zweitakter 50 Jahre alt. Fünf Trabis werden gezeigt, das seltsame Renngebilde nicht mitgezählt, das eher an ein Seifenkistenauto als an einen Trabant erinnert. Vom Prototypen P 50, zwischen 1959 und 1960 gebaut, über den P 600 und den bekannten P 601, wie er zwischen 1964 bis 1988 in Serie produziert wurde, bis hin zum letzten seiner Art, dem Trabant P1.1, wie er ab 1989 bis zum 30. April 1991 hergestellt wurde. Auch ein Trabant Kübel steht dort, tiefgrün und geländegängig, in robuster Cabrioletform wie er in der Nationalen Volksarmee genutzt wurde. Dann noch besagter Motor, ein Hänger Marke Eigenbau, allerlei Staffage und einige Informationstafeln. Mehr braucht es auch nicht. Denn eine Ausstellung über das auf den Straßen der DDR am häufigsten anzutreffende Personenkraftfahrzeug ist auch heute noch, 18 Jahre nach der Wende, bei vielen nur Impulsgeber für die eigenen Erinnerungen.
Insgesamt drei Millionen Fahrzeuge der Baureihe „Trabant“ wurden von 1957 an in Zwickau produziert. Der letzte Trabi rollte am 30. April 1991 um 14 Uhr vom Fließband. Modell P1.1 Universal. Dieses Modell war der Versuch, nach der Wende auf dem Markt mitzuhalten. Doch der ehemalige DDR-Bürger hatte genug von der „Pappe“. Modell P1.1 war schon zum Scheitern verurteilt, bevor der neue Typ mit einem Viertaktmotor, der den heillos überalterten Zweitaktmotor ablöste, überhaupt vom Band lief. Die Zeitläufte hatten diese „Neuentwicklung“ zum Relikt einer vergangenen Zeit gemacht.
Der Trabant als „Viersitzer-Kleinwagen, zweitürig, selbsttragende Karosserie, Verbundbauweise, Stahlblechgerippe und Duroplastbeplankung, Motor: Frontalantrieb“ war von Anfang an eine Notlösung. Weil in der Bundesrepublik der VW Käfer große Erfolge feierte, wollten die DDR-Oberen mit einer Eigenentwicklung mithalten. Materialknappheit und ein Feinblech-Embargo zwangen zu Innovationen. Duroplast hieß das Zauberwort für die Verkleidung: „absolut korrosionsbeständig, lackierbar, geringes Gewicht, eine hohe Elastizität“. Es war dieses Duroplast, das dem Trabant seinen Zweitnamen „Pappe“ gab.
Mit Unglauben geht man durch die Ausstellung und betrachtet das jetzt so geschmacklos wirkende Design des Trabis. In der DDR war er, meist in der nichtssagenden Farbe „papyrusweiß“, der Traum von so vielen, weil es nichts anderes gab. Es sei denn, man hatte die Zeit und das Geld um beispielsweise auf einen Wartburg zu warten. Im Sommer war der Trabant ein Backofen, im Winter ein Kühlschrank. Trotzdem fuhren Familien, vollbesetzt und vollgeladen, mit ihren Trabis hunderte Kilometer in den Urlaub. Ein wenig Fassungslosigkeit macht sich in einem breit, wenn man die Enge des Innenraums wiedersieht, die Gestaltung der Armaturen, die spartanisch zu nennen noch stark geschmeichelt wäre. Bis zu 14 Jahre Wartezeit musste man einkalkulieren, bis man seine eigene „Pappe“ in Zwickau abholen konnte. Das war genug Zeit, um die nötigen knapp 14 000 Mark der DDR zu sparen, die einer der Glücklichen 1987 hinblättern musste, von dessen Abholschein eine Kopie in der Ausstellung bis zum 18. August gezeigt wird.
Und dann vor dem Motor dann doch Nostalgiegefühle. Wie oft saß man morgens in der kalten Kiste und versuchte zu starten. Vergeblich. Dann raus, Motorhaube auf, Zündkappen ab und die Zündkerzen herausgeschraubt. Ein wenig des Benzingemischs aus dem nebenliegenden Tank mit einem kleinen Schlauch angesaugt und in den Zündkerzenschacht tropfen lassen. Zündkerzen rein, Zündkappen rauf und neuer Startversuch. Erst wenn der Zweitakter dröhnte, wurde die Motorhaube geschlossen. Dann ging es los in geduckter Haltung hinter dem Lenkrad mit der Handschaltung. Bei diesen Erinnerungen verfliegt die Nostalgie dann doch sehr schnell.
Dirk Becker
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