Landeshauptstadt: Zeugen: Unfalltram fuhr mit offenen Türen
Mutter des Opfers bekam noch kein persönliches Beileidschreiben des Verkehrsbetriebs / Polizei: Friedlicher Trauermarsch
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Bornstedter Feld - Bei den Ermittlungen zu dem tödlichen Tram-Unfall am vergangenen Samstag im Bornstedter Feld gerät der Potsdamer Verkehrsbetrieb (ViP) in die Defensive. Nach PNN-Informationen werden Freunde des 17-jährigen Unfallopfers Marc-Philipp als Augenzeugen aussagen, dass die Türen der Bahn, die den Jungen erfasst hatte, während des Unfalls geöffnet waren. Dies würde die Version untermauern, dass ein technischer Defekt oder menschliches Versagen den tödlichen Unfall mit verschuldet haben. Zurzeit ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft zur Unfall- und Todesursache. Gutachten über mögliche technische Mängel bei der Tatra-Bahn und die Ergebnisse der Obduktion des Leichnams des 17-jährigen Potsdamers stehen noch aus.
Laut den Zeugenberichten soll der Junge vor seinem tödlichen Sturz in der Bahn gewesen sein. Nach dem Anfahren – ohne Warnsignal – soll er so unglücklich abgerutscht sein, dass er unter die Räder des zweiten Wagens geriet. Er verstarb noch an der Unfallstelle, Dutzende Meter entfernt vom Haltepunkt „Campus Fachhochschule“. Vorher hatte er mit Freunden während der Feuerwerkersinfonie im Volkspark einen Geburtstag gefeiert.
Der ViP verwies gestern zu Fragen über das Geschehen auf die laufenden Ermittlungen. Die letzte Hauptuntersuchung der Unglücksbahn mit der Wagennummer 147/247 sei 2004 gewesen, sagte ViP-Sprecher Stefan Klotz.
Inzwischen hat sich die Mutter des Opfers gegenüber den PNN öffentlich zu Wort gemeldet. Sie hoffe, dass es der ViP erlaube, am Unfallort in der Kiepenheuer Allee ein dauerhaftes Kreuz aufzustellen, das ein befreundeter Tischler angefertigt habe. Sie sei enttäuscht, dass sich bisher kein Mitarbeiter des Unternehmens bei ihr und ihren Töchtern gemeldet habe, sagte Ilona G.: „Es gibt keinen Kontakt.“ Noch am Sonntag hatte ViP-Geschäftsführer Martin Weiß gegenüber den PNN angekündigt, dass er am Montag „der Familie unser Beileid aussprechen“ werde und sein Betrieb prüfe, „ob wir etwas tun können, um den Angehörigen zu helfen“. Gestern Abend sagte ViP-Sprecher Klotz, dass ViP-Chef Weis einen Brief abgeschickt habe. Sollte dieser noch nicht zugestellt sein, sei dies „bedauerlich“. Am Dienstag hatten die Busse und Bahnen des ViP für eine Gedenkminute still gestanden.
Die Mutter des Verunglückten hatte zu den PNN auch Kontakt aufgenommen, um einem anderen Zeitungsbericht zu widersprechen, wonach der Trauermarsch für ihren Sohn am Dienstag von Drohungen gegenüber ViP-Mitarbeitern und Polizisten begleitet worden sei. „Dort waren ich und seine Freunde, die ungestört Abschied nehmen wollten“, so Ilona G. Ihre Version bestätigte der polizeiliche Einsatzleiter vor Ort, Andreas Merten: „Es gab für uns als Polizisten keinen Ansatzpunkt für problematisches Verhalten der Trauernden.“ Für vereinzelte ablehnende Rufe gegenüber Polizisten oder Fotografen habe er „Verständnis“ in der aufgewühlten Situation, in der sich die Freunde des Opfers befänden. Ziel sei es gewesen, die allgemeine Sicherheit zu gewährleisten: Dies sei gelungen.
Die Mutter von Marc-Philipp wird von den Streetworkern des Diakonischen Werks in der Villa Wildwuchs am Babelsberger Park betreut. Dort war ihr Sohn oft zu Gast. Er war in der alternativen Szene als Punk bekannt, galt als äußerst lebenslustig. Seine Mutter – auch Anhängerin der linken Szene – sagte, dass ihr Sohn gerade eine Ausbildung begonnen hatte: „Er hatte noch so viel vor.“
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