Von Alexander Fröhlich: Zeugnis des Scheiterns
Der vertrauliche Ministeriumsbericht zum Bau des Stadtschlosses
Stand:
Potsdam - Es ist Zeugnis des Scheiterns. Der vertrauliche Bericht des Finanzministeriums zum Landtagsneubau listet detailliert zahlreiche Probleme bei dem Projekt auf, die teils absehbar waren, teils hausgemacht sind – beim Land und bei der Stadt Potsdam. Inzwischen sind die Fronten verhärtet, das interne Papier sorgt für Unruhe. Es geht um mehr als nur Zusatzkosten von 15,4 Millionen Euro zu den bislang vereinbarten 120 Millionen Euro. Im Landeshaushalt 2011 ist nun eine Lücke von knapp 11 Millionen Euro nicht gedeckt, das Land rechnet nicht damit, dies mit Einsparungen und Schadensersatz durch die Stadt Potsdam decken zu können. Nach Bekanntwerden von Details hat das Landtagspräsidium am gestrigen Mittwoch eine gemeinsame, für nächsten Dienstag angesetzte Sitzung mit dem Hauptausschuss der Potsdamer Stadtverordneten abgesagt – offiziell wegen Termin-Problemen. Der Bericht ist so brisant, dass Finanzminister Helmuth Markov (Linke), juristische Schritte wegen der „Indiskretionen“ prüfen lässt.
Ein halbes Jahr im Verzug
Es war eine große Feier, als am 13. März der erste Spatenstich für den Landtagsneubau gesetzt wurde. Vom Start für die Wiederbelebung von Potsdams historischer Mitte war die Rede. Tatsächlich gab es von Beginn an Streit zwischen der Stadt und dem Baukonsortium BAM AG. Gegen die am 23. März erteilte Baugenehmigung legte die BAM in 37 Punkten zum Teil erfolgreich Widerspruch ein. Offiziell ist der Bau ein halbes Jahr im Verzug, statt Ende 2012 wird er nach jetzigem Stand Mitte 2013 fertig. Hauptgrund sind Probleme mit der Baugrube und mit der Stadt. Verzögerungen durch den Winter sind noch nicht eingerechnet. Jeder Monat Rückstand kostet 600 000 Euro. Arbeiten, die längst erledigt sein sollten, müssen im „Winterbau“ geschafft werden, was eine Million Euro mehr kostet. Das Land erwartet – um den Verzug aufzuholen – auch einen Beschleunigungszuschlag der BAM. Wegen der Wünsche des Parlaments und wegen der für die Schlossfassade nötigen Tiefgaragenzufahrt in der Humboldtstraße ist mit mehr als 1,2 Millionen Euro zusätzlich zu rechnen.
Der unsichere Baugrund
Der Boden ist dies die Hauptursache für den aktuellen Zeitverzug und den Kostenanstieg. Schon 2005 bewertet das Finanzministerium die Kosten- und Terminrisiken wegen des Baugrundes als „hoch bis sehr hoch“ ein. Allerdings konnte für das Sachverständigen-Gutachten aus dem Jahr 2006, das Teil des Bauvertrags in der Öffentlich-Privaten Partnerschaft (ÖPP) zwischen BAM und Land ist, nicht alle „erforderlichen Details“ ermittelt werden. Sondierungen waren nur an „ausgewählten Stellen“ möglich. Zwar trägt laut Vertrag der Auftragnehmer die „Baugrundrisiken“. Der Bericht des Ministeriums hält nun fest: Bauverzug und höhere Kosten, „die durch Baugrundrisiken verursacht werden, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht erkannt waren, trägt letztendlich das Land“.
Die Risiken
Ungeplante Mehrkosten entstanden, weil zum Schutz des Grundwassers vor Versalzung aus tieferen Bodenschichten nun Spezialverfahren zur Absenkung des Wasserspiegels auf dem Baufeld nötig sind. Land und BAM trafen sich wegen „unterschiedlicher Rechtsauffassung“ vor einem Schlichter des Oberlandesgerichts (OLG) wieder. Land akzeptierte den Vergleich, um den Bauablauf nicht weiter zu verzögern, und trägt die Mehrkosten von 1,5 Millionen Euro, insgesamt sind es mit dem Fortunalportal knapp 1,9 Millionen Euro. Weitere Risiken erwartet das Land wegen einer Torfschicht entlang des Gehwegs am Hotel Mercure. Das Bodengutachten von 2006 wies bereits auf den Torf und die Gefahren im Falle einer Entwässerung hin, aus Sicht der BAM bezieht sich der Hinweis aber nicht auf die „angetroffenen Bereiche“. Um weiteren Verzug zu verhindern ging das Land einen Kompromiss ein, beteiligt sich an der Sicherungsmaßnahmen der BAM mit 170 000 Euro. Für Schäden an Gebäuden von mehr als 160 000 Euro muss das Land aufkommen.
Das Fortunaportal
Allein 750 000 Euro kostete es, den instabilen Untergrund am Fortunaportal nachträglich zu verfestigen, um Schäden am von TV-Journalist Günther Jauch gespendeten Bauwerk abzuwenden. Aus Sicht der BAM könnte erst danach mit der Grundwassersenkung begonnen werden. Die Stadt Potsdam hat die Maßnahmen lange verhindert, mit der unter Hochdruck Betonsäulen die wackligen, historischen Reste des Fundaments gespritzt werden. In der Baugenehmigung lehnte die Stadt das sogenannte HDI-Verfahren aus „bodendenkmalpflegerischer Sicht“ ab und machte im Ausnahmefall weitgehende Auflagen.
Zusatzkosten durch die Stadt
Aus Sicht des Landes hat die Stadt Potsdam Zusagen für die Grundstücksübergaben nicht eingehalten, dabei geht es um die Bodendenkmale. Vertragsbestandteil war, dass der Sanierungsträger der Stadt alle „erforderlichen Maßnahmen unverzüglich“ in Auftrag gibt. Tatsächlich wurden die Arbeiten „zum Teil bis heute nicht fertig gestellt“. Um den Bau nicht noch mehr zu verzögern, musste das Land das Grundstück übernehmen, „obwohl der Sanierungsträger nicht alle vertraglich geschuldeten Vorleistungen erbracht hatte“. Die Überlassungsvereinbarung ist laut Ministeriumsbericht noch nicht unterzeichnet. Stadt und Land streiten, haben „unterschiedliche Auffasungen über Leistungserfüllungen zur Baufeldfreimachung“. Dadurch sind Kosten von 585 000 Euro entstanden. Die BAM berechnet wegen längerer Bauzeiten – aufgrund fehlender Vorleistungen der Stadt – mit 1,8 Millionen Euro Mehrkosten.
Streit an allen Fronten
Die Stadt Potsdam muss Schadenersatzforderungen des Landes Brandenburg rechnen. Das geht aus dem Ministeriums-Bericht hervor. Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zeigte sich gestern unbeeindruckt. „Wir haben uns vertragskonform verhalten“, sagte er. „Ich sehe daher keine Veranlassung, dass wir uns an den Mehrkosten beteiligen.“ Es werde nun eine ausführliche Stellungnahme im Rathaus erarbeitet. Fehler in seinem Haus sieht Jakobs nicht – seine Verwaltung habe „hochprofessionell gearbeitet“. „Wenn alle so gewesen wären, hätte es einiges an Konflikten nicht gegeben.“ Alles, von der Übergabe bis hin zur Auflagen der Bauaufsicht sei dokumentiert und nachvollziehbar. Der Linke-Landtagsabgeordnete und Stadtverordnete Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, „bleibt für die Stadt zu hoffen, dass die Einschätzung des Oberbürgermeisters richtig ist“. Das Ministerium macht die Stadt auch für verhärtete Fronten zur BAM verantwortlich. Die Vertragsprobleme hätten das Verhältnis „zusätzlich belastet“ und die Verhandlungsposition des Landes zusätzlich geschwächt. Daneben bescheinigt das Ministerium der BAM bei den Verhandlungen Mehrkosten und Verzug „ein anderes Verhältnis von Partnerschaft“ und „völlig überzogene Nachtragsforderungen“. Allerdings liegt das auch an allgemein formulierten Vertragsklauseln, die Raum für Interpretationen lassen. Zudem ist auch das Ministerium geschwächt – fast alle mit dem Projekt befasste Mitarbeiter sind nun im Ruhestand, die Folge: „Informationsdefizite, Kommunikationsprobleme“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: