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Alles für den Käse. Gela Angermann vom Karolinenhof, füttert ein Zicklein mit der Flasche. 55 000 Liter Ziegenmilch werden zu 20 Sorten Käse verarbeitet.

© Michael Urban/ddp

Von Michael Klug: Zickleinzeit auf dem Karolinenhof

Gela Angermann zog 1991 in das Linumer Bruch und verkauft ihren Käse heute auch an das Lafayette

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Kuhhorst - Wenn Gela Angermann morgens mit zwei Eimern heißer Milch aus ihrer Bauernkate zum Stall am Ende des Karolinenhofes geht, hört sie schon ungeduldiges Meckern. Die schier endlosen Feuchtwiesen des Linumer Bruchs bei Kuhhorst im Nordwesten Brandenburgs, auf denen im Herbst Tausende Kraniche und Störche auf ihren Zügen rasten, liegen dann noch in der Dunkelheit. „Um 6.30 Uhr bekommen die Zicklein die erste Milch, dann geht es im Vierstunden-Rhythmus weiter“, sagt sie.

20 junge Ziegen müssen derzeit versorgt werden, die 39-jährige Bäuerin hat alle Hände voll zu tun. „Im Winter lammen die Ziegen. Dann haben sie Milch, und unser Hauptgeschäft, die Käseproduktion, läuft an“, erzählt sie. Fast 55 000 Liter Milch von insgesamt rund 100 Ziegen werden pro Jahr zu 20 Sorten von Frischkäse bis zum Camembert verarbeitet. „Das meiste kommt in unser Hofcafe. Ein kleiner Teil geht nach Berlin ins Lafayette“, sagt Angermann. Im Edelkaufhaus ist ihr Käse der einzige deutsche Ziegenkäse im Sortiment.

Zugleich beginnt mit der Zickleinzeit die Saison für Besucher auf dem Karolinenhof. Läuft alles wie in den vergangenen Jahren, finden ab diesem Wochenende rund 35 000 Berliner den Weg in die idyllische Einöde zwischen Prignitz und Havelland. Im Hofladen und der Schaukäserei werden sich Käsegourmets tummeln, Kinder toben auf dem riesigen Anwesen umher und streicheln die zutraulichen Zicklein.

Was nach einem Traum vieler Großstädter aussieht, hat einst mit einem Kindheitswunsch von Angermann begonnen. „Mit zwölf Jahren hatte ich die Idee von der Selbstversorgung. Also wollte ich eine Kuh haben“, erzählt die in Heidelberg geborene Frau. Ihre Eltern, eine Lehrerin und ein Koch aus der 68er Generation, kauften ihr das Milchvieh und bekamen fünf Ziegen dazu geschenkt. Zehn Jahre später hatte Angermann über 100 Ziegen und ihren eigenen Hof. „Eigentlich wollten wir nie etwas mit Konzepten und Steuerberatern zu tun haben. Unser Traum war ein eigener Hof und nicht mehr“, sagt ihr 45-jähriger Lebensgefährte Roger Lemke, der aus dem Wendland nach Kuhhorst kam. Ihre Chance ergriffen die beiden im Jahr 1991 beim Zusammenbruch der ostdeutschen Landwirtschaft. Mit Landesbürgschaften kauften sie den 33 Hektar großen Hof im fast menschenleeren Rhinluch.

In den Anfangsjahren hatte sie nicht nur mit der maroden Bausubstanz, sondern auch den Vorurteilen der Einheimischen zu kämpfen. „Wir selbst bekamen hier draußen nichts mit. Aber unsere Kinder wurden in der Schule lange gehänselt“, sagt Angermann.

Sie und Lemke gaben nicht auf, und der wirtschaftliche Erfolg brachte auch die Akzeptanz. „Am Anfang hieß es: Die machen nicht lange. Nach 16 Jahren und Tausenden Besuchern hat uns die Gemeinde aber sogar eine Straße spendiert“, resümiert Angermann. Zudem wird der Karolinenhof heute gerne als Musterbeispiel ländlicher Entwicklung vorgezeigt. „Im Ministerium fragt man nach unserer Meinung, und zu Empfängen werden wir bis nach London eingeladen“, ergänzt Lemke.

„Im letzten Jahr haben wir jemanden in der Käserei eingestellt. Jetzt suchen wir dringend einen Koch im Hofcafe“, erzählt Angermann. In der dadurch gewonnenen Zeit wollen sie sich neuen Käseprojekten zuwenden. „Echter Mozzarella würde uns interessieren“, sagt Lemke. Platz für die nötigen Wasserbüffel hätten sie auf den menschenleeren Feuchtwiesen des Linumer Bruchs schließlich genug.

Michael Klug

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