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Internet-Pionier. Über ein Jahr hat Werner Zorn an einer Verbindung mit dem amerikanischen CSNET gearbeitet. Am 3. August 1984 erhielt er dann Deutschlands erste Internet-Mail.

© HPI

Landeshauptstadt: zorn@germany

Werner Zorn hat vor 30 Jahren den ersten deutschen E-Mail-Verkehr mit den USA aufgebaut. Heute unterrichtet er am Hasso-Plattner-Institut

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„We are glad to have you aboard.“ So lautete die erste E-Mail-Botschaft, die vor 30 Jahren aus den USA nach Deutschland kam. Empfangen hat sie Werner Zorn zusammen mit Michael Rotert am 3. August 1984 an der Uni Karlsruhe unter der Adresse zorn@germany und der seines Kollegen. Es war die erste deutsche Internet-E-Mail, elektronische Post innerhalb von Firmen gab es zwar bereits, die waren aber nur intern vernetzt. Die Landeskennung „.de“ für Deutschland gab es damals noch nicht und die Rechner hatte Abmessungen von Wandschränken.

Zorn gehört zu den Wegbereitern des Internets, damals sorgte er durch ein Forschungsprojekt für den Anschluss Deutschlands an das amerikanische Wissenschaftsnetz CSNET (Computer Science Network), einem Vorläufer des heutigen Internet, das nach dem militärischen Arpanet das erste zivile Netz war. In ihrem Aussehen habe sich die E-Mail seitdem kaum verändert, außer dass es damals keine grafischen, sondern alphanumerische Zeichen waren, erzählt Zorn heute. Das Internet hingegen ist in den vergangenen 30 Jahren von einer Verbindung zwischen einigen Hochschulen zu dem weltweiten Netz von heute herangewachsen.

Damals hatte Zorn mit einer Gruppe von Wissenschaftlern am Deutschen Forschungsnetz DFN mitgearbeitet. Er war es, der vorschlug, das geplante Netzwerk frühzeitig mit dem amerikanischen Netz zu verbinden weil die Kollegen dort das nötige Know-how hatten. „Das war die Kernidee“, sagt Zorn. Im Sommer 1983 begann die Arbeit, ein ganzes Jahr brauchte es, die Netze miteinander zu verbinden.

Der 1942 in Frankfurt/Main geborene IT-Pionier erhielt 2006 das Bundesverdienstkreuz und wurde im vergangenen Jahr in die Internet Hall of Fame aufgenommen. Von 2001 bis zu seiner Emeritierung 2007 war Zorn Inhaber des Lehrstuhls Kommunikationssysteme am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI). Zorn, der in Berlin-Wannsee lebt, hält als Professor im Ruhestand im 47. Berufsjahr am HPI noch die beliebte Vorlesung „IT-Fallstudien – Was wir aus gescheiterten Projekten lernen können“.

Heute antwortet Werner Zorn eher mit Bescheidenheit, wenn man ihn nach dem damaligen Durchbruch fragt. Klar habe man gewusst, dass diese Verbindung eine wichtige Sache sei. Auch sei es ein erhebender Moment gewesen, als die erste direkte Verbindung zustande kam. Der Inhalt der ersten Interkontinental-Mail selbst war allerdings wenig spektakulär. Das Schreiben sei technischer Natur gewesen, letztlich handelte es sich um die wechselseitige Bestätigung der Betriebsbereitschaft. „Ein administrativer Akt“, so Zorn. Wenn man ihn fragt, ob ihm damals klar war, dass er etwas sehr Großes mit angestoßen habe, sagt Zorn nur, dass man wusste, etwas sehr Nützliches ermöglicht zu haben. Das weitere Wachstum des Netzes habe dann noch viel Zeit gebraucht. „Das ging nicht lawinenartig, das musste sich erst einmal langsam ausbreiten.“

Letztlich aber war Zorn klar, dass die elektronische Post aus den USA ein Umbruch war. Es sei ein großer Unterschied gewesen, den Dienst nun im eigenen Haus zu haben, für den sich die Wissenschaftler zuvor mühsam in eine US-Uni einwählen mussten. „Und dann war klar, dass das weitergehen würde, mit der Versorgung anderer Unis. Und damit begann dann das eigentlich Spannende.“ Dass das damalige Bundesforschungsministerium die Dimension dieser Innovation offensichtlich verkannte und mehrere Folgeanträge auf Förderungen ablehnte, sei, wie Zorn sagt, am Ende eher positiv gewesen, weil die Nutzer dadurch bereit waren, für den Dienst zu zahlen.

Zorn selbst hat die weitere Entwicklung des Internets nicht wirklich überrascht, auch wenn aus damaliger Sicht die heutigen Internetdienste unvorstellbar gewesen seien. Man müsse aber auch bedenken, dass sich der erste E-Mail-Kontakt mitten im Kalten Krieg abspielte. „Das war damals alles hochsensibel“, so Zorn. Der E-Mail-Verkehr war eher unkritisch, aber in den Ostblock-Staaten strikt untersagt. Drei Jahre später dann, am 20. September 1987, war Zorn an der Einbindung Chinas ins Netz beteiligt.

Die erste E-Mail-Botschaft aus Peking nach Karlsruhe klang nach Freiheit: „Über die Große Mauer erreichen wir alle Ecken der Welt.“ Das Projekt mit China sei abenteuerlich gewesen, erzählt Zorn. Nächtelang hatte er mit Kollegen daran gebastelt. Im September 1987 gelang es dann, die erste CSNET-Verbindung von der Technischen Uni Peking an die Rechner in Karlsruhe herzustellen. Zorn spricht heute bei der Fehlersuche und -behebung von einem Wettlauf um Stunden. Denn wäre das Vorhaben damals gescheitert, hätte es lange dauern können, bis ein neuer Anlauf möglich geworden wäre. Die damals kurzzeitig positive Stimmung gegenüber China war nach den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens schnell vorbei. Die Details des China-Projekts sind heute undenkbar: Solange es noch keine entsprechende Infrastruktur gab, wurden alle Domänen der Volksrepublik China auf den Rechnern von Werner Zorn verwaltet.

Wie sich das Internet nun weiterentwickeln wird, da ist Zorn vorsichtig. Es gebe zu viele Entwicklungswege, um das eindeutig sagen zu können. Die größten Entwicklungschancen sieht der Wegbereiter des Netzes in der Wirtschaft und in Fragen der Sicherheit. Im Straßenverkehr beispielsweise könnten kluge, mobile Internetanwendungen dabei helfen, die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu bringen. Andererseits aber mahnt Zorn auch zur Vorsicht. Ein Autopilot lasse sich im Handrumdrehen von einem Hacker kontrollieren. Mit der Entwicklung und weiteren Ausbreitung des Netzes komme ein ganzes Bündel neuer Fragen hoch. „Da gibt es viel zu tun.“

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