
© Kitty Kleist-Heinrich
Nachruf: Zu frühes Ende
Der Ex-Weltklasseläufer Stéphane Franke erlag in Potsdam einem Krebsleiden. Ein Nachruf von Peter Könnicke
Stand:
Als im November 2009 auf der Glienicker Brücke der 20. Jahrestags des Mauerfalls gefeiert wurde, stand Stéphane Franke mitten unter den Besuchern des Bürgerfestes und staunte: „20 Jahre ist das jetzt schon her.“
Knapp 20 Jahre war es her, da startete er – damals für Salamander Kornwestheim – in Potsdam im Stadion am Luftschiffhafen bei den ersten gesamtdeutschen 10 000-Meter-Meisterschaften. Er wurde Zweiter – und in den darauffolgenden Jahren zu einem deutschen Langstreckenläufer mit Weltklasseformat. Am vergangenen Donnerstag erlag der erst 47-Jährige einem Krebsleiden. Es blieb ihm kaum noch Zeit, seine Ausdauer- und Kämpferqualitäten in seinem schwersten Rennen zu beweisen. Nur fünf Wochen nach der verhängnisvollen Diagnose starb Franke in einer Potsdamer Klinik an Lymphdrüsenkrebs.
Er war ein lustiger Zeitgenosse, durchaus streitbar und nicht immer leicht zu handeln. Doch selbst bei einem Wiedersehen nach langer Zeit gab es keine Berührungsängste. Diese Leichtigkeit und Unbeschwertheit machten es Franke zu Beginn seiner sportlichen Laufbahn nicht leicht, sich bei Wettkämpfen aufs Wesentliche zu konzentrieren. So ziemlich alles in einem Stadion konnte ihn ablenken. Erst durch die Arbeit mit einem Mentaltrainer lernte Franke, sich auf ein Rennen zu fokussieren. Und das war dann – sportlich gesehen – alles andere als nett: Nur wenige weiße Läufer hatten Frankes Tempohärte und Mut zur Offensive, sein Spurtvermögen am Ende eines Rennens war gefürchtet. Das machte ihn nicht nur zum Dauerrivalen und ernsthaften Herausforderer von Olympiasieger Dieter Baumann – Franke zählte während seiner aktiven Zeit zu den weltbesten Langstreckenläufern. Er war zweimal Bronzemedaillengewinner bei Europameisterschaften über 10 000 Meter, zweifacher Olympiafinalist, Europarekordler über 25 Kilometer, vielfacher Deutscher Meister und erfahrener Marathonläufer. Nach seinem Karriereende arbeitete Franke als Trainer, betreute unter anderem den Potsdamer Jirka Arndt, der in Sydney 2000 über 5000 Meter Olympia-Achter wurde. Überschattet wurde Frankes sportliche Karriere immer wieder durch Dopingvorwürfe, ohne dass die Einnahme unerlaubter Mittel nachgewiesen werden konnte. Das Dauer-Duell gegen Baumann hat Franke klar verloren – nicht nur sportlich: Gegen den populären Schwaben war Franke immer eine Spur zu intellektuell, zu genau, zu smart. Franke sah sich selbst als Kosmopolit, während die Nation Baumann als laufenden Volkshelden feierte. Darin liegt die Tragik des Läufers Franke.
Potsdam wurde für den in Versailles geborenen Franke zur neuen Heimat. Hier lernte er seine – später geschiedene – Frau kennen, die selbst eine erfolgreiche Läuferin war und mit der eine zehnjährige Tochter hat. Hin und wieder traf man ihn im Wildpark beim Joggen, vielmehr aber war Stéphane Franke in den vergangenen Jahren im Fernsehen zu hören. Als Kommentator arbeitete er für Eurosport und garnierte unter anderem die Übertragungen der großen Marathonläufe von London, Boston, New York oder Berlin mit Zutaten aus seinem Erfahrungsschatz als Läufer. Er verstand es, die Freuden und auch Leiden eines Marathonlaufes authentisch zu schildern, sodass sie für das Publikum – egal ob Laie oder Fachmann – spür- und nachvollziehbar wurden.
„Ich gehe das an wie einen Marathon, konzentriere mich erst einmal nur auf die nächsten 10 000 Meter, die vor mir liegen“, erklärte er angesichts seiner Krankheit vor wenigen Wochen noch voller Zuversicht mit Kampfgeist. Dass er seinen letzten Lauf so schnell verlieren würde, hat ihn selbst am meisten überrascht. Die Trauerfeier fand am Dienstag in Potsdam im engsten Kreis seiner Angehörigen statt. Seine Asche soll im Mittelmeer verstreut werden. Vielleicht findet er dort die Ruhe, die er selbst vor Wettkämpfen mental gesucht und wie er es in einem seiner Laufbücher aufgeschrieben hat: „Ich stelle mir einen Ort vor, einen Platz, wo es friedlich ist und wo ich ungestört bin. Vielleicht am Meer, im Haus, im Wald.“
Der Autor ist ehemaliger Potsdamer und Berliner Langstreckenläufer und Wettkampfgefährte Frankes bei Meisterschaftsrennen in den 1990er Jahren.
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