
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Zu wenige Orte für Mädchen
Nicht nur für Jungs: Der Jugendtreff „Zimtzicken“ suchte zusammen mit Jugendlichen in Potsdam nach „Mädchenorten“
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Sportplätze, Kletterwände, Graffiti- und Skate-Parks – all dies sind Orte, die im Prinzip allen Jugendlichen offenstehen. Doch oft sieht man an diesen Orten vor allem Jungs, während es gerade Mädchen in der Pubertät schwerfällt, vor den Augen anderer etwas auszuprobieren, ohne Angst vor peinlichen Situationen zu haben. Aus diesem Grund startete der Mädchentreff „Zimtzicken“ am Humboldtring im Februar 2012 das Projekt „Mädchenorte überall“, bei dem 23 Teilnehmerinnen zwischen zehn und 14 Jahren in fünf Aktionen Potsdam für sich eroberten und zwar nach Kriterien der „Mädchentauglichkeit“. Am Donnerstag stellten die Jugendlichen die Ergebnisse im Rathaus Potsdam vor.
„Ein Mädchenort sollte viel Natur haben, man muss unter sich sein können, selber Sachen ausprobieren können – und keine Jungs!“, stellt die 11-jährige Maggy klar. Sie bezeichnet sich selbst als unternehmungslustig und möchte viele Dinge, die Jungs auch machen, zum Beispiel skaten. „Aber viele Outdoor-Orte sind für Jungen leichter zugänglich“, sagt Vera Spatz, Leiterin des Zimtzicken-Treffs, „und wenn der ganze Skatepark voller Jungs ist, die rumposen, trauen sich viele Mädchen nicht, selbst aktiv zu werden und schauen nur zu.“ Kein Wunder, dass für die elfjährige Totran vor allem eines zählt für einen Mädchenort: „Respekt ist das Wichtigste.“
Caroline Müller, Studentin für Interface Design an der FH Potsdam und langjährige Mitarbeiterin der Zimtzicken, kam schließlich auf die Idee, die Jugendlichen ihre Umgebung mithilfe digitaler Medien entdecken zu lassen: „Viele von ihnen sitzen oft am Computer“, sagt die 25-Jährige, die das Projekt als Bachelorarbeit einreichen wird, „also dachte ich mir: Vielleicht kann man sie mit einem iPad raus in die Natur locken.“
Das ist gelungen: Bei den fünf Aktionen mussten kleine Gruppen von Mädchen mehrere Orte in Potsdam zunächst per Internet suchen, während ihnen die 13-jährige Kira per Video-Botschaft Hinweise gab, zum Beispiel: „Findet den Kletterfelsen!“. So lernten die Mädchen auf dem Jugendgelände „Freiland“, wie man sprayt, bei den Babelsberger „Havelpiraten“, wie man segelt, Balancieren im Drewitzer Niedrigseilgarten, Klettern am Kahleberg in Waldstadt und Angeln im Eichelkamp bei Nedlitz. Dabei haben viele ein weit größeres Maß an Mobilität erfahren, als sie es sonst kennen: „Einige der Mädchen waren noch nie in Waldstadt“, sagt Barbara Paech von „Wildwuchs Streetwork“, einem der Kooperationspartner des Projekts. Mädchen würden oft sehr von ihren Eltern behütet, sagt Vera Spatz: „Und es gibt schließlich sogar erwachsene Frauen, die sich nicht trauen, allein durch Parks zu gehen.“
Dass Mädchen an „Jungs-Aktivitäten“ gar kein Interesse hätten, kann Spatz nicht bestätigen: „Beim Angeln dachte ich zuerst, die hätten gar keinen Bock darauf, aber jetzt wollen sie es sogar noch mal machen!“
Die „Mädchentauglichkeit“ der fünf Orte war im Rahmen des Projekts natürlich erfüllt, da die Aktionen zusammen in angemeldeten Gruppen und in Begleitung von Pädagogen stattfanden. Doch das ist normalerweise nicht immer der Fall. Daher fordert Spatz andere Jugendeinrichtungen dazu auf, spezielle Angebote nur für Mädchen zu schaffen. Für die beteiligten Mädchen, von denen viele einen Migrationshintergrund haben, war das Projekt nicht nur eine tolle Erfahrung, sondern auch eine Stärkung des Selbstbewusstseins: „Mädchen können alles besser als Jungs!“, findet etwa die achtjährige Nuria.
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