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Kolumne: Etwas HELLA: Zugereiste Ur-Potsdamer

Auf die Feststellung, dass ich doch wohl nicht von „hier“ sei, eine gewisse Dialektfärbung verrät mich, frage ich meist zurück, ab wann man das denn sei. Reicht es, dass ich seit 1960 in der Stadt wohne und einen Ur-Potsdamer geheiratet habe?

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Auf die Feststellung, dass ich doch wohl nicht von „hier“ sei, eine gewisse Dialektfärbung verrät mich, frage ich meist zurück, ab wann man das denn sei. Reicht es, dass ich seit 1960 in der Stadt wohne und einen Ur-Potsdamer geheiratet habe? Wahrscheinlich nicht. Ein ehemaliger Bürgermeister von Caputh hatte mich einst aufgeklärt: „Ein Einheimischer wird man erst ab der dritten Generation.“ Bis dahin ist man ein Zugereister oder wie ich im Zweifelsfall immer betone: ein Beutepreuße. Der Ex-Bürgermeister hatte es immerhin schon in der zweiten Generation geschafft, mit Mehrheit gewählt zu werden. Er war längst ein Caputher durch und durch. Und tat der Gemeinde gut.

Auch unser aktueller Potsdamer Oberbürgermeister ist ja nicht von hier und sein bisweilen stoisches Temperament wird immer noch auf das Friesische in ihm zurückgeführt. Könnten Sie sich aber einen schwarzen Oberbürgermeister vorstellen? Und da meine ich schwarz in doppeltem Sinne, schwarz als CDU-Mitglied und schwarz als Hausfarbe. Natürlich haben wir bis dahin noch eine Weile Zeit. Die CDU ist nicht gerade die Lieblingspartei der Potsdamer und bis der 22-jährige Joshua Acheampong oberbürgermeisterreif ist, dürfte es auch noch etwas dauern.

Motiviert durch den Wahlkampf Obamas trat der junge Mann mit deutscher Mutter und ghanaischem Vater in die CDU ein und studiert zurzeit an der Potsdamer Uni Politikwissenschaft. Joshua scheint sich gerade als Organisator studentischen Treibens zu bewähren und empfiehlt sich als ausgleichender Charakter mit den Worten „Andersdenkenden die Hand zum Dialog reichen“. Und Humor hat er auch noch! Ich hätte mit dem Slogan „Schwarz wählen“, den sich Acheampong in seiner Geburtsregion für die Kreistagswahl Calw (Baden-Württemberg) ausgesucht hatte, nur bedingt Probleme. Ich bin nämlich ein notorischer Linkswähler. Und ganz Brandenburg ist bislang eine Sozen-Hochburg.

Doch man kann ja nie wissen, was die Zukunft noch so bringt. Weltweit bekleiden inzwischen schon Menschen mit ausländischen Wurzeln Ämter des Vertrauens. Und wer hätte noch vor 20 Jahren gedacht, dass die USA einmal einen farbigen Yes-we-can-Präsidenten wählen und ihn auch noch für eine zweite Amtszeit bestätigen, obwohl der Rassismus in den USA nicht aufgehört hat zu existieren und jetzt durch einen Mister Trump eher wieder Auftrieb bekommt. Wir Potsdamer sind da viel weltoffener. Prüfen Sie sich selbst.

Vielleicht tritt unser eingewanderter Friese ja noch einmal als OB an und danach – wer weiß – hat sich Joshua oder ein gutausgebildeter eingebürgerter Syrer nicht nur das Prädikat Einheimischer verdient, sondern auch noch das Vertrauen der Potsdamer. Nach einem solchen Sieg der Toleranz müssen wir aber nicht unbedingt auf-trump(f)en und in rechtslastigen Populismus abrutschen.

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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