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Landeshauptstadt: Zum Geburtstag in eine echte Moschee

Familienalltag zwischen den Religionen: Potsdamerin Hanifa erzieht ihre Kinder im islamischen Glauben, ihr Mann ist Katholik

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Am Anfang hat sie alle fünf Minuten ihren Kopf betastet, ob es verrutscht ist. Heute fühlt sich Hanifa* nackt, wenn sie ohne Kopftuch aus dem Haus geht – so sehr hat sie sich daran gewöhnt, sagt sie. Dabei verhüllt die Potsdamerin erst seit fünf Jahren ihr Haar. Sie ist eine konvertierte Muslima. Damals, als die heute 36-Jährige mit Mitte 20 in der Berliner Moschee stand, hat sie von dem, was der Imam „auf arabisch vor sich hin brabbelte“ so gut wie nichts verstanden. Aber es ging ihr damals auch einfach nur darum, ihren persischen Freund zu heiraten. Am Ende dieses Tages hatte sie nach islamischem Recht eine Ehe geschlossen und eine Urkunde in der Tasche, dass sie nun Muslima sei. „Ich wusste gar nicht, was ich mache“, erinnert sie sich. Als der Imam dann noch sagte: „Welcome to Islam“ habe sie sich richtig erschrocken. Aber irgendwie habe das etwas in ihr bewirkt. Sie begann, viel über ihre neue Religion zu lesen.

Als sie dann „richtige Muslima“ wurde, hatte sie sich wieder von ihrem ersten Mann scheiden lassen – in der selben Moschee. Denn der Islam ist eine Religion, in der sich vor Gott Getraute auch wieder trennen dürfen. Der Imam habe trotzdem ziemlich geknickt gewirkt, sagt Hanifa. Zum Islam fand sie schließlich durch den Tod ihres Vaters, weil sie sich damals sehr „intensiv mit Trauer und dem Leben nach dem Tod beschäftigt“ hat. Sie wollte wissen, warum ihre „muslimischen Freunde viel besser trauern können“. Eine kurdische Freundin versuchte es ihr zu erklären. Gemeinsam mit ihr hat Hanifa dann vor acht Jahren zum ersten Mal im Ramadan gefastet. Und jeden Tag habe ihre Freundin ihr etwas über Allah und seinen Propheten Mohammed erzählt.

Nach dem Fastenmonat ging Hanifa wieder in die Moschee und konvertierte noch einmal – „dieses Mal aber wirklich“, sagt sie. Im Frühling 2001 ging sie dann zum ersten Mal mit Kopftuch aus dem Haus. Nur manchmal – zum Beispiel auf dem Amt – werde sie deshalb „komisch angeguckt“, sagt sie. Sie trägt es trotzdem, denn sie will der Welt zeigen, dass sie Muslima ist, auch wenn das Verdecken der Haare im Islam nicht zwingend vorgeschrieben sei. Außerdem empfindet sie das Tuch als Schutz. Männer, egal welchen Glaubens, würden gar nicht auf die Idee kommen, sie „anzumachen“. Ganz abgesehen von den weiteren Vorteilen: Seit sie sich verhülle, nähmen ihr muslimische Männer auch schon mal die Einkaufstasche ab und sie müsse sich nicht die Haare frisieren, nur weil sie ihre Wohnung verlasse. Natürlich kenne sie aber auch die Frage: „Wie kannst du als Deutsche nur Muslima werden?“. Manche beschimpfen sie auch – nicht jugendliche Glatzköpfe, sondern vorwiegend ältere Erwachsene. Das komme jedoch „ganz selten“ vor. Meist werde sie ohnehin für eine Ausländerin gehalten, meint Hanifa. Wie neulich von den deutschen Teenagern im Bus, die sich laut darüber unterhielten, ob ihr Mann sie schlage.

Nein, ihr neuer Mann, mit dem sie zwei Kinder groß zieht, schlage nicht. Zwei Jahre musste der Afrikaner um sie werben, erst dann willigte sie in seinen Heiratsantrag ein – trotz vieler Warnungen ihrer muslimischen Freunde. Denn ihr Liebster ist Katholik. Sie hätte ja selbst jedem von einer solchen Ehe abgeraten, sagt sie, denn die „Gefahr besteht, dass man da vom Glauben abfällt“.

Aber ihr Mann sei im Herzen eigentlich ein Moslem, findet Hanifa: „Er weiß es nur noch nicht.“ Nicht nur weil sein Gottesverständnis dem ihren sehr nahe sei. Er trinkt wie sie keinen Alkohol, isst kein Schweinefleisch. Und er passt auf den kleinen Sohn auf, damit Hanifa ungestört beten kann. Vorschriftsmäßig betet Hanifa fünfmal am Tag – auch auf Arbeit. Sie rollt dann ihren kleinen Teppich einfach im Lager aus. Wenn es mal gar nicht anders geht, betet sie eben später. Auch das sei gestattet. Um den Fernsehkrimi nicht zu unterbrechen, würde sie aber nie ein Gebet ausfallen lassen oder verschieben.

Mittlerweile betet der zehnjährige Amin*, ihr großer Sohn, das Abendgebet mit ihr gemeinsam. Obwohl sie beide Kinder im islamischen Glauben erzieht, schenkt sie ihnen jedes Jahr zu Weihnachten eine Kleinigkeit – wegen der anderen in Schule und Kindergarten. Auch ihr Mann erhält ein Geschenk. „Einmal habe ich ihm einen winzigen Weihnachtsbaum gekauft“ erzählt sie, aus Liebe und als Zeichen, dass sie seinen Glauben respektiert. Doch ihr Mann konnte gar nichts mit der Mini-Tanne anfangen. In seiner Heimat feiert man ohne Lichterbaum. Auch wenn Hanifa und ihre Familie keinen Heiligabend feiern: „Wir machen es uns immer gemütlich“, sagt sie. Sie vermisst Weihnachten auch nicht, sie habe es sowieso immer als Zwang empfunden – schon als Kind. Aber als Amin einmal unbedingt einen Weihnachtskalender haben wollte, hat sie ihm einen Ramadan-Kalender gebastelt – der Fastenmonat fiel in jenem Jahr zufällig in die Adventszeit.

Der Zehnjährige nimmt seine Religion offenbar sehr ernst. Zum Geburtstag wünscht er sich schon mal den Besuch einer echten Moschee, einer mit Kuppeln und Minaretten. Denn so etwas gibt es in Potsdam nur als Pumpwerk in der Neustädter Havelbucht. Hanifa geht mit ihrer Familie zum Beten, Reden und Feiern in die Gemeinde in der Weinbergstraße. Musa*, Amins dreijähriger Bruder, wird demnächst beschnitten – in einer feierlichen Zeremonie daheim in der Wohnung. Ein iranischer Urologe wird den voraussichtlich wichtigsten Schnitt in Musas Leben vornehmen. Und sein christlicher Vater ist einverstanden? Der sei, wie in Westafrika üblich, selbst beschnitten.

Vergangene Woche hat der diesjährige Ramadan begonnen. Zwischen Sonnenauf- und -untergang darf Hanifa nichts essen, nichts trinken und muss enthaltsam sein. Sexualität sei für Muslime jedoch nichts Verpöntes und diene auch nicht allein der Fortpflanzung. Sie sei ein Geschenk Allahs – aber nur mit dem Ehepartner, betont Hanifa. *Namen geändert

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