
© A. Klaer
Kolumne PYAnissimo: Zum Muttertag eine Extraportion Dampf
Die Pressestelle einer bekannten Elektromarke hat sich wieder bei uns gemeldet. Das letzte Mal hatten wir von ihnen anlässlich des Frauentags gehört: AEG warb für neue Waschmaschinen, damit die Frauen mehr Spaß bei der Wäschepflege haben und nicht immer die Wollpullis ihrer Gatten auf Kindergröße schrumpfen.
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Die Pressestelle einer bekannten Elektromarke hat sich wieder bei uns gemeldet. Das letzte Mal hatten wir von ihnen anlässlich des Frauentags gehört: AEG warb für neue Waschmaschinen, damit die Frauen mehr Spaß bei der Wäschepflege haben und nicht immer die Wollpullis ihrer Gatten auf Kindergröße schrumpfen.
Was gibts zum Muttertag Schönes? Ein Leckerli für die ganze Familie. „Mediterraner Lachs auf Grillgemüse, besonders zart und aromatisch“ mit dem Mutti-Dampfgarer – oops, verlesen – mit dem Multi-Dampfgarer und der Vital-Dampfgar-Funktion zubereitet. Damit Mutti vital bleibt und nach der Wäschepflege und der „kulinarischen Überraschung“ noch die Küche aufräumen kann. Den Dampfgarer gibt es im Paket mit dem SteamBake Ofen, für eine „eine Extraportion Dampf. Mama wird begeistert sein!“
Mal abgesehen davon, dass wir für diese Mutter aller Küchenhelferlein anbauen müssten, ist die Idee schon in Ordnung. Endlich stehen Mütter nicht mehr am Herd, sondern am Multi-Dampfgarer und bekommen dafür eine Multi-Dampfgarerprämie.
Aber egal, ich bin seit letztem Wochenende sowieso in einer Retrostimmung. Im Lindenpark spielte die Band Fehlfarben, ja, es gibt sie noch. Der Saal war voll mit Leuten, die heute für die Karten das bezahlten, was früher für ein ganzes Partywochenende gereicht hätte. Nur um das eine Lied zu hören: „Keine Atempause, Geschichte wird gemacht. Es geht voran.“
Es hörte sich so gut an wie vor 37 Jahren. Als wäre es dem Texter gerade aus der Feder geflutscht. Der Song „Das war vor Jahren“ machte sehr wehmütig, wir alle im Saal erinnerten uns an Kassetten und Bandsalat und diese Sehnsucht: „Was ich haben will, das krieg ich nicht, und was ich kriegen kann, das gefällt mir nicht.“
Auch der Spruch klingt seltsam aktuell. Nur dass wir heute auf der anderen Seite stehen und alles haben. Und doch immer meckern. Ich will mich da gar nicht ausschließen, siehe Multi-Dampfgarer. Wie schlimm kann das schon sein? Es gibt nämlich Studien, die besagen, in Deutschland werden die Küchen immer teurer, aber dafür wird weniger in ihnen gekocht. Das ist doch was. Dann kann Mutter zum Muttertag einen Ausflug machen. In Potsdam hat sich das Belvedere auf dem Pfingstberg was ganz Besonderes ausgedacht: Alle Mütter bekommen am Muttertag freien Eintritt.
Wenn sie in Begleitung ihrer Kinder kommen!, heißt es im Kleingedruckten. Ich wusste, da war ein Pferdefuß. Reichen nicht Augenringe und graue Haare, muss man gleich die Bagage mitschleppen? Man stelle sich vor, wir Frauen setzten am Herrentag die Kinder neben das Bierfass im Bollerwagen oder reichen der Besatzung des Kremserwagens fröhlich Baby und Wickeltasche.
Jetzt bin ich erstmal gespannt, welche neue Produktlinie A** für Himmelfahrt in petto hat. Eine Heckenschneidedrohne? Den digitalen Pizzaschneider 2.0? Grillzange mit Beleuchtung? Und vor allem: Dürfen dann auch Väter bei freiem Eintritt ins Belvedere?
Unsere Autorin ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg
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