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Landeshauptstadt: Zum Suizid verabredet
In einer Hütte auf einem Campingplatz in Nordhessen sind drei Frauenleichen entdeckt worden, darunter eine 23-jährige Potsdamerin
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Vöhl/ Potsdam - Alles deutet auf eine gemeinsame Verzweiflungstat hin: Auf einem Campingplatz in Hessen sind drei Frauenleichen entdeckt worden, eine der Toten stammte aus Potsdam. Die Polizei geht davon aus, dass sich die 23-Jährige zusammen mit ihren beiden Begleiterinnen das Leben genommen hat. Die drei Frauen sollen sich in einem sozialen Netzwerk im Internet kennengelernt und gezielt verabredet haben.
Der gemeinschaftliche Suizid wurde am späten Mittwochnachmittag entdeckt, wie die hessische Polizei mitteilte. Die drei Leichen seien in einer Blockhütte auf dem Gelände eines Campingplatzes am Edersee gefunden worden – ein Stausee am Natur- und Nationalpark Kellerwald-Edersee. Nach ersten Erkenntnissen habe eine 49-jährige Frau aus Frankfurt (Oder) das Ferienhaus am 27. Januar für sich und ihre beiden Begleiterinnen für zwei Tage angemietet. Der Betreiber des idyllisch gelegenen Campingplatzes habe die Gäste dann zwei Tage lang nicht gesehen und am Mittwochnachmittag gegen 17.20 Uhr nach dem rechten sehen wollen. „An der Badezimmertür fand er einen Warnhinweis auf Kohlenmonoxid und verständigte daraufhin die Rettungskräfte“, sagte Hauptkommissar Volker König von der zuständigen Polizei in Korbach (Landkreis Waldeck-Frankenberg).
Mit Atemschutzmasken seien Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr schließlich in das Badezimmer vorgedrungen – dort fanden sie die Leichen. Neben der Potsdamerin und der Frau aus Frankfurt (Oder) wurde eine 44-Jährige identifiziert, die in Schauenburg im Landkreis Kassel lebte. Kommisar König sagte, die Ermittler gingen derzeit davon aus, dass sich die Frauen mit Kohlenmonoxid töteten, einem geruch- und geschmacklosen Gas. Entsprechende Abschiedsbriefe seien gefunden worden. Es gebe keine Anzeichen auf ein Verbrechen oder einen technischen Defekt. „Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand haben sich die Frauen in sozialen Netzwerken kennengelernt und gezielt auf dem Campingplatz getroffen“, sagte König. Ob sie sich bereits vorher kannten, sei noch unklar. Gründe für den gemeinschaftlichen Suizid könnten psychische Erkrankungen sein, hieß es bei der Polizei weiter. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Kassel habe die Obduktion der Leichen angeordnet. Wann die Ergebnisse vorlägen, sei noch unklar, sagte ein Sprecher der Behörde.
Zu weiteren Umständen der Tat und näheren Informationen zu den Getöteten wollte Kommissar König nichts sagen – auch um Nachahmungstaten zu verhindern. Hintergrund ist der sogenannte Werther-Effekt – benannt nach Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“, nach dessen Veröffentlichung sich Selbstmorde gehäuft hatten. Mehrere Studien haben auch einen Zusammenhang zwischen einer allzu detaillierten Berichterstattung über Selbstmorde und einem Anstieg der Suizidrate nachgewiesen. So hatte etwa der Freitod von Nationaltorwart Robert Enke im Jahr 2009 laut amtlichen Statistiken weitere Männer bewogen, sich zu töten. Die mutmaßliche Verzweiflungstat in Hessen war am Donnerstag deutschlandweit in den Schlagzeilen.
Es ist nicht der erste Fall dieser Art. Laut Medienberichten hatten sich im Sommer 2011 drei junge Frauen im Alter zwischen 16 und 19 Jahren im niedersächsischen Damme das Leben genommen. Sie hatten sich den Angaben nach auch über das Internet verabredet und starben in einem Zelt – ebenfalls an einer Kohlenmonoxidvergiftung.
Laut der Internetseite jugendschutz.net 1997 von den Jugendministern aller Bundesländer ins Leben gerufen, gibt es sogenannte Suizidforen, in denen sich lebensmüde Menschen in Lebenskrisen austauschen. Diese Foren würden zwar nicht generell als jugendgefährdend eingestuft – in einigen dieser Angebote fänden Betroffene sogar professionelle Unterstützung durch Fachleute, heißt es bei jugendschutz.net. Es gäbe allerdings auch eine ganze Reihe von Angeboten, die Suizid als alleinige Problemlösung verherrlichten und Suizidgefährdete in ihrer Absicht bestärkten. Bisher seien fast 100 Angebote überprüft worden, wovon sich etwa 40 Prozent als jugendgefährdend herausgestellt hätten. Gegen solche unzulässige Angebote würden Maßnahmen ergriffen, in 60 Prozent der Fälle erfolgreich.
Die Zahl der Selbstmorde in Potsdam schwankt von Jahr zu Jahr. Aktuelle Angaben für 2013 gibt es laut dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zwar noch nicht. In den Jahren zuvor gab es 2010 elf Suizide, ein Jahr später fünf und 2012 wiederum 18. Fast alle dieser Selbsttötungen wurden laut der Statistikbehörde von Männern verübt. (mit dpa)
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