Von Guido Berg: Zusammen fahren
Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg für „Quasi-Fusion“ von ViP, Havelbus, VBBr und VBG / Stadt Brandenburg dagegen
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Aus vier mach eins: Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) empfiehlt die Schaffung eines gemeinsamen Verkehrsunternehmens der Städte Potsdam, Brandenburg (Havel) und Belzig sowie der Landkreise Potsdam-Mittelmark und Havelland. Als Grund werden in einem den PNN vorliegenden VBB-Gutachten Einspareffekte und politisch-organisatorische Vorteile genannt. Ein gemeinsames Tochterunternehmen des Potsdamer Verkehrsbetriebes ViP, der Havelbus-Verkehrsgesellschaft HVG, der Verkehrsgesellschaft Belzig (VGB) und der Verkehrsbetriebe Brandenburg an der Havel (VBBr) brächte Einsparungen in Millionen-Höhe. Im VBB-Gutachten heißt es: „Aufs Jahr gerechnet entspricht das einem durchschnittlichen Potenzial von 4,0 bis 5,0 Mio. Euro bezogen auf den ViP, 1,0 bis 1,3 Mio. Euro für die VBBr, 3,4 bis 5,0 Mio. Euro bei Havelbus sowie noch 200 000 bis 500 000 für die VGB.“
Derzeit wird das VBB-Gutachten in den Ausschüssen und Gremien der betroffenen Städte und Kreise diskutiert. In Potsdam haben sich der Hauptausschuss und der Bauausschuss in nicht-öffentlichen Sitzungen bereits für den vom VBB empfohlenen nächsten Schritt ausgesprochen – der Erstellung eines Umsetzungskonzeptes. Die Stadtverordnetenversammlung wird sich morgen im nicht-öffentlichen Teil mit der „Interkommunalen Zusammenarbeit im ÖPNV“ beschäftigen.
Potsdams Finanzbeigeordneter Burkhard Exner (SPD) befürwortet die vom VBB empfohlene „Quasi-Fusion“ der Verkehrsbetriebe: „Eine gemeinsame Tochter bringt das Maximum an Effekten.“ Jedes einzelne Unternehmen sei für sich zu klein, zusammen aber seien sie wiederum nicht zu groß. Exner teilt die Ansichten der VBB-Gutachter, wonach die Kosten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) weiter ansteigen werden. Es schwebe das „Damoklesschwert“ sinkender Zuschüsse von Land und Bund über dem ÖPNV; ferner drohe ein Ansteigen von Treibstoff-, Material-, Strom- und Personalkosten. „Da gilt es gegenzusteuern“, so Exner. Eine Verringerung der Verkehrsleistung komme für Potsdam nicht in Betracht.
„Einsparungen durch Lohndumping“ vermutet dagegen Sandro Szilleweit von der Wählergemeinschaft Die Andere als Motiv für das Projekt. Szilleweit, nach eigener Aussage Betriebsrat eines großen Unternehmens, bezieht sich auf einen Satz aus dem Gutachten: „Das neue Unternehmen zahlt Tariflöhne nach einem einheitlichen, wettbewerbsfähigen Tarif, und stellt allein neue Beschäftigte an.“ Ein Busfahrer könne durch Lohnabsenkung sowie Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld leicht mehrere tausend Euro weniger im Jahr kosten. Bei hunderten Tarifmitgliedern seien das Millionen-Beträge im Jahr. Szilleweit vermutet, dass die Stadt Potsdam ihren jährlichen Zuschuss an den ViP von fünf Millionen Euro einsparen will. Dazu erklärte der Finanzbeigeordnete Exner, es gehe in erster Linie darum, den Zuschuss stabil zu halten.
Als eine „mittelfristig gute Sache“ bezeichnet ViP-Geschäftsführer Martin Weis das Vorhaben. Innerbetrieblich seien die „Effiziensspielräume“ ausgeschöpft, durch eine Fusion würden sich neue eröffnen. So könnten die Leitstellen von ViP und HVG zusammengelegt, Standorte eingespart und weniger Reservebusse vorgehalten werden. Im Gutachten heißt es, „der größte Teil des heutigen Havelbus-Betriebshofes in der Johannsenstraße“ könnte „aufgegeben werden“ und „Betriebsfunktionen vom ViP-Betriebshof“ aus wahrgenommen werden. Havelbus-Geschäftsführer Dieter Schäfer erklärte, eine Fusion brächte für den Raum Potsdam Vorteile, da es viele „Parallelverkehre“ mit dem ViP gebe. Allerdings bemängelt Schäfer „viele nicht nachvollziehbare Zahlen“ in dem Gutachten. „Busfahrer und Schlosser“ hätten durch die Fusion nichts zu befürchten: „Die Busse werden weiter fahren.“ Wichtig sei „ein ganz normaler Betriebsübergang“; dass sich jeder Busfahrer neu bewerben muss, dürfe nicht geschehen. Der Tarifvertrag „Nahverkehr Brandenburg“ müsse weiter gelten, so Schäfer.
Dass der Landkreis Havelland gegen die Fusion sei, „kann man nicht sagen“, erklärte Sprecher Erik Nagel. Jedoch müssten die Gutachterzahlen aktualisiert werden. Aus dem Landkreis Potsdam-Mittelmark heißt es, die Meinungsbildung in den Ausschüssen sei noch nicht abgeschlossen.
Wesentliche Synergieeffekte ergäben sich laut Gutachten durch Zusammengehen des Potsdamer ViP mit dem Verkehrsbetriebes von Brandenburg (Havel) – etwa durch Zusammenlegen von Betriebsleitungen, Kassenabrechnungen, Fahrdienstleistungen und Dienstbesetzungen. Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) winkt jedoch ab: „Wir wollen kein Kombinat“. Eine engere Zusammenarbeit sei möglich, eine Fusion nicht, sagte sie den PNN. Aus Expertenkreisen wird eine Verzahnung der Tram- Betreiber ViP und VVBr auch deshalb skeptisch betrachtet, weil die Straßenbahn-Spurweite in Brandenburg (Havel) 1000 Millimeter beträgt, genauso wie in Cottbus und Frankfurt (Oder). In Potsdam beträgt die Tram-Spurweite dagegen 1450 Millimeter – ebenso wie in Berlin.
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