Links und rechts der Langen Brücke: Zwei Hochzeiten, ein Überfall
Peter Tiede fragt sich, wer die Pressefreiheit mehr gefährdet: Herr Jauch oder die Polizei?
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Zwei Hochzeiten und ein Überfall: Gestern hat Günther Jauch, ein richtiger Prominenter, in Potsdam geheiratet. Es gibt Zeitungen, Zeitschriften und TV-Magazine, die über so etwas gerne berichten. Die mit Kameras draufhalten oder – wie es in der Fachsprache heißt – die Promis per Teleobjektiv „abschießen“, auch, wenn diese dies nicht wollen. Nun wollte der Prominente Jauch privat feiern und privat ist privat und hat privat zu bleiben, solange der Herr J. es nicht einer Frau H. von der Zeitung B. oder einer Frau R. vom Magazin B. erzählt. Der Wunsch nach Privatsphäre hat respektiert zu werden, denn irgendwo muss auch ein noch so bedeutender Mensch mal seine Ruhe haben, einfach mal heulen oder doof gucken dürfen.
Heute vor einer Woche hat im Schoss Marquardt ein Berliner Arzt – kein prominenter – geheiratet. Darüber hätten die PNN und andere Zeitungen und wohl auch der RBB gern schnell berichtet. Nicht über die private Feier sondern über den Alptraum, den die Hochzeitsgäste erleiden mussten: Die Feier ist in der Nacht von jugendlichen Schlägern mit kahlen Köpfen gleich zweimal überfallen worden. Dass die Medien und ihre Nutzer zunächst davon nicht erfuhren, lag an der Potsdamer Polizei. Genauer gesagt an der Pressestelle des Schutzbereiches Potsdam, die täglich die wichtigsten Straftaten an die Medien meldet muss. In der Regel tut sie dies. Wehe jedoch, es passiert etwas Ungewöhnliches, gar etwas, dass den Ruf der Stadt oder das Sicherheitsgefühl der Bürger gefährden könnte – dann spielt die Pressestelle des Schutzbereichs Potsdam Zensor. Jagen Linke einen Rechten durch die Innenstadt, stranguliert sich ein Kind auf tragische Weise in einer Kita, werden Jugendtreffs überfallen – die Polizei schweigt. Die Meldungen werden vorsortiert: Der Eierdieb wird vermeldet, der Überfall nicht. Nach welchen überprüfbaren, rechtlichen Kriterien? Keine Ahnung.
Das Informationsrecht der Medien reicht nicht bis ins Wohnzimmer oder in die Hochzeitskapelle. Es sei denn, dort passiert Gesetzwidriges. Herr Jauch hat – nach allem, was wir wissen – gestern rechtens geheiratet: Die Braut ist volljährig und war einverstanden. Verprügelt wurde auch niemand. In Marquardt liegt der Fall anders. Da haben wir das Recht auf und hat die Polizei die Pflicht zur Information.
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