Landeshauptstadt: Zwei offene Vorfälle
Oberlinhaus kämpft nach Vorwürfen um Reputation
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Babelsberg - Die Verantwortlichen machen keinen Hehl aus ihrer Sorge. Die Reputation des Oberlinhauses stehe auf dem Spiel, die Vorwürfe einer Mitarbeiterin gegen das Haus müssen daher rückhaltlos aufgeklärt werden, sagte der Vorstandsvorsitzende des diakonischen Sozialunternehmens Matthias Fichtmüller gestern. Eine junge Mitarbeiterin hatte Mitte März eine umfassende Anzeige beim Jugendamt Potsdam abgegeben und darin von geschlagenen und gefesselten Kindern berichtet. Seitdem ermitteln die Behörden. Kaum einer der Vorwürfe hätte sich im Laufe der Ermittlungen bestätigt, sagte Ralf Roggenbuck von der Potsdamer Staatsanwaltschaft. Übrig geblieben sind zwei Vorfälle, bei denen die Betroffenen vernommen würden. Die Behörde ermittle wegen Körperverletzung, nicht wegen Kindeswohlgefährdung. Was genau passiert sein soll, blieb offen.
Dass es ein Fall aus dem Jahr 2000 sein soll, der gestern auch von Fichtmüller genannt wurde, schloss Roggenbuck aus. Eine Mitarbeiterin sei damals in die Brust gekniffen worden, beim Umdrehen habe sie mit dem Arm ausgeholt. Es sah aus wie eine Ohrfeige. Ob Absicht oder nicht – der Vorfall ist seit zehn Jahren im Oberlinhaus aktenkundig. Und laut Roggenbuck ohnehin verjährt. Es muss sich also um neuere Vorkommnisse handeln, von denen selbst die leitenden Mitarbeiter des Oberlinhauses anscheinend nichts wissen. Denn es sei noch keine Akteneinsicht erfolgt, sagte Fichtmüller. Einzig in die Anzeige der Mitarbeiterin beim Jugendamt habe man Einsicht nehmen können. Daraus gehe sowohl der Fall von vor zehn Jahren als auch ein weiterer Fall von vor vier Jahren hervor. Die Aussagen der Mitarbeiterin seien allerdings Hörensagen, denn sie habe erst seit Juli vergangenen Jahres im Unternehmen gearbeitet. Befragt werden konnte sie durch Fichtmüller nicht, denn die Frau reagiere nicht auf Anfragen der Geschäftsführung. Wegen Krankheit habe sie in diesem Jahr nur zwei Tage arbeiten können, laut Renate Frost habe sie zudem zum 15. Mai gekündigt. Frost ist Geschäftsführerin der Einrichtung Lebenswelten im Oberlinhaus, in der die Vorfälle passiert sein sollen.
Zwei Sofortmaßnahmen habe es nach Bekanntwerden der Anzeige gegeben, sagte Fichtmüller. Eine beschuldigte Kollegin sei beurlaubt worden. Und alle Eltern seien sofort persönlich über die Vorwürfe informiert worden. Eine dritte Maßnahme wird derzeit vorbereitet: Das Oberlinhaus will zusätzliche Fortbildungen für die Mitarbeiter und neue Richtlinien zum Schutz betreuter Kinder einführen. Dass Kinder in der Einrichtung an Rollstühlen fixiert werden, hält Eyreen Traeder zumindest im Fall ihrer Tochter Anne Kathrin für medizinisch notwendig. Die 16-Jährige habe eine unbekannte Krankheit und werde seit fast fünf Jahren „gut und liebevoll“, so die Mutter, im Oberlinhaus betreut. Sie müsse am Rollstuhl fixiert werden, ansonsten rutsche sie aus dem Stuhl. Frost sagt, das Fixieren sei nur dann möglich, wenn es eine richterliche Anordnung und das Einverständnis der Eltern gebe. Über alles werde Akte geführt. Fehlverhalten sei nicht zu rechtfertigen, sagte Fichtmüller. Berücksichtigt werden müsse aber, dass die Betreuung schwer behinderter Menschen ein sehr anspruchsvoller Beruf sei. So seien in diesem Jahr bereits fünf Fälle registriert, in denen Mitarbeiter drei Tage und mehr nach Biss- und Schlagverletzungen durch die Behinderten krankgeschrieben waren. „Auch das ist Alltag“, betonte Fichtmüller. jab
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