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Links und rechts der Langen Brücke: Zweite Chance?!

Michael Erbach wünscht sich eine vorwärtsgerichtete Diskussion über das Schicksal von DDR-Architektur in Potsdams Innenstadt

Stand:

Gleich nach der Wende wurden die Rufe nach den Abrissbaggern laut. DDR-Zweckbauten sollten möglichst schnell aus dem Stadtbild verschwinden. So gab es die Forderung nach dem Abriss der Hochhäuser an der Neustädter Havelbucht – weil diese den Blick vom Schloss Sanssouci Richtung Havel versperrten. Das ist bald 20 Jahre her – und selbstverständlich stehen die Wohnscheiben noch. Doch die Frage nach dem Umgang mit der DDR-Architektur insbesondere in der Stadtmitte war und ist aktuell. Und erfordert Entscheidungen. Denn mit dem Bau des neuen Landtages, dessen Fassade historisch gestaltet werden soll, wird das zentrale Gebäude der verlorenen Stadtmitte genau dorthin wieder zurückkehren. Der Landtag wird, eben wegen seiner historischen Anmutung, einen großen Einfluss auf alle Bauten ringsum haben – kein Wunder, dass die Solitäre aus DDR-Zeiten in diesem Areal wieder in den Blickpunkt der Diskussion rücken. Einiges ist schon entschieden: So soll beispielsweise der Plattenbau hinter dem Filmmuseum dem künftigen Synagogenkomplex weichen. Und ein Teil des Fachhochschulkomplexes wird im Zuge des Landtagsneubaus abgerissen. An diesen Stellen wird der Nachwendebeschluss der Stadtverordneten – nämlich sich bei der Stadtentwicklung der historischen Mitte wieder anzunähern – tatsächlich umgesetzt. Zwei markante Gebäude sozialistischer Bauart werden aber in der Diskussion bleiben: die Stadt- und Landesbibliothek und das Hotel Mercure. Beim Bibliotheksbau geht es weniger um die Daseinsberechtigung des Gebäudes, sondern um seine Fassadengestaltung. Dabei spielen architektonische und ökonomische Aspekte eine Rolle, jedenfalls soll eine andere Fassade her. Beim Mercure, über dessen Weiterbetrieb 2012 entschieden wird, gehen die Forderungen von Architekten und Kommunalpolitikern sehr viel weiter: Das Hotel-Hochhaus soll am besten aus dem Stadtbild verschwinden. Doch die Existenzfrage für sozialistische Architektur darf nicht nur im Kontext zu den historischen Gebäuden gesehen werden. Schließlich wird in den kommenden Jahren nicht weit vom – ja ebenfalls neuen Landtag – modern gebaut: An der Babelsberger Straße wird das Potsdam-Center komplettiert, im RAW-Gelände und sicher auch auf dem Areal vor der Schwimmhalle werden neue Gebäude entstehen, und auch in der Speicherstadt wird es Neues geben. Wer also über Bibliothek und Mercure befindet, sollte das künftige Ganze im Blick haben und nicht nur die Reparatur des Alten. Historisches, DDR-Architektur und Modernes harmonisch zu verbinden – das muss die Aufgabe sein. Unter diesem Aspekt könnten die Bibliotheksfassade, mehr aber noch das Mercure eine zweite Chance bekommen. Zumal beim Mercure Eigentümer und Pächter ohnehin mehr als ein Wörtchen mitzureden haben.

Michael Erbach

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