Landeshauptstadt: Zweite Runde für den Haushalt
Nach dem Eklat: Stadtverordnete wollen doch einen Etat beschließen / Neuer Anlauf am 4. Juni
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Das Potsdamer Stadtparlament will nun doch einen Haushalt für 2008 beschließen: Am Tag nach dem Eklat um die Ablehnung des 404 Millionen Euro umfassenden Etats signalisierten gestern Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sowie die Fraktionen von SPD und Linke, dass es in der Stadtverordnetenversammlung am 4. Juni einen neuen Versuch geben werde. Am Mittwochabend hatte das Stadtparlament den Haushaltsentwurf gekippt. Oberbürgermeister Jakobs hatte dazu aufgefordert, weil zuvor mit Mehrheit der Fraktionen Die Linke, Bürgerbündnis und Die Andere drei Anträge angenommen wurden, die den erstmals seit 1995 ausgeglichenen Haushalt in Frage stellten. Dazu gehörten zehn neue Schulsozialarbeiterstellen. Damit wäre ein Minus von 140 000 Euro entstanden, laut Jakobs hätte die Kommunalaufsicht des Innenministeriums den Haushalt so nicht mehr genehmigt.
Gestern nun signalisierten die Fraktionschefs von SPD und Linke Gesprächsbereitschaft. Streitfrage ist neben der Schulsozialarbeit – die Stadt hat drei neue Stellen vorgesehen – das kostenlose Schulessen für Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien. Linke-Fraktionschef Scharfenberg sagte gestern, er werde weiterhin von dieser Forderung nicht abrücken. Bereits frühzeitig hatte Scharfenberg klar gemacht, dass die Linke als stärkste Fraktion im Stadtparlament dem Haushalt nicht zustimmen werde, wenn sie für das kostenlose Essen keine Zustimmung finde. Auch am Mittwochabend enthielt sich die Linke – zuvor war das Schulessen bereits zum zweiten Mal durchgefallen.
SPD-Fraktionschef Schubert sieht zum Schulessen keinen Gesprächsbedarf mehr. Um für die umstrittene Zahl der Schulsozialarbeiter-Stellen eine Lösung zu finden, solle darüber der Jugendhilfeausschuss beraten, sagte Schubert gestern. Entscheidend sei, wie viele Sozialarbeiter „aus fachlicher Sicht sinnvoll“ seien und „wie viele sich die Landeshauptstadt in der Gesamtjahresrechnung leisten kann“.
Potsdams Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer plädiert für eine schnelle Lösung der Haushaltskrise. „Durch die Ablehnung sind wir auf die vorläufige Haushaltsplanung beschränkt“, sagte Fischer den PNN auf Nachfrage. „Konkret bedeutet dies, dass nur 50 Prozent der Mittel freigegeben sind.“ Für Einrichtungen, mit denen die Stadt feste Verträge abgeschlossen hat, wie beispielsweise mit dem Hans Otto Theater, der Kammerakademie und der Musikfestspiele Sanssouci und Nikolaisaal Potsdam gGmbH, sei die Finanzierung auch weiterhin gesichert. Doch für viele andere Vorhaben von freien Trägern, vor allem im Bereich der Projektförderung, die in diesem Haushalt verdoppelt werden sollte, sieht Fischer Probleme. „Neue Maßnahmen, die erst noch beginnen, können wir nicht bewilligen.“ Auch beim Medienetat der Stadt- und Landesbibliothek müssten dann Abstriche gemacht werden.
Ähnliche Schwierigkeiten drohen auch allen anderen Bereichen der Verwaltung, wenn sich die Parteien im Stadtparlament nicht auf einen Haushalt für dieses Jahr einigen. Dann steht Potsdam unter der sogenannten „vorläufigen Haushaltsführung“. Das hieße, die Stadt dürfe „nur das leisten, wozu wir verpflichtet sind“, erklärte gestern Bürgermeister und Finanzbeigeordneter Burkhard Exner (SPD). Neue freiwillige Leistungen – dazu gehört neben der Verdoppelung des Projektetats für die Kultur auch das von der Stadt vorgesehene ermäßigte Schulessen für bedürftige Kinder – seien nicht erlaubt. Ebenso liegen neue Investitionen auf Eis. Das betrifft laut Exner auch die 5,5 Millionen Euro für die Sanierung von Schulen und Kitas sowie das Geld für die Arbeiten am Alten Rathaus.
Unverständnis darüber, dass der vorgeschlagene Etat an einem verhältnismäßig kleinen Minus von 140 000 Euro scheitern solle, wies Exner zurück. Es gehe nicht allein um die Summe, sondern um die Qualität der Entscheidung. „Wir wären sechsstellig ins Minus geraten – dabei war öffentlich bekannt, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt haben.“ Zu einem solchen sei die Stadt laut Kommunalverfassung verpflichtet. Ein Minus sei nur erlaubt, wenn „es nicht anders geht“. Die Beschlüsse der Stadtverordnetenmehrheit bezögen sich aber auf freiwillige Leistungen. Das sei etwas anderes, als wenn die Stadt mehr Geld für die Unterstützung Arbeitsloser ausgeben müsse. Auch wolle die Kommunalaufsicht, die den Haushalt der mit 165 Millionen Euro überschuldeten Stadt Potsdam genehmigen muss, einen „überragenden Konsolidierungswillen“ sehen. Die Beschlüsse der Stadtverordneten-Mehrheit hätten damit aber nichts mehr zu tun gehabt. „Deshalb musste man die Notbremse ziehen“, so Exner.
Linke-Fraktionschef Scharfenberg bezweifelt dies weiterhin. Bei einem Etat von 404 Millionen Euro sei es „schon bemerkenswert, genau auf Null zu kommen“ – da müsse es also Reserven geben. Die Linke wolle den Haushalt nicht blockieren. Doch die gescheiterte Haushaltskoalition aus SPD, CDU, Grünen und teilweise der Familienpartei müsse angesichts der gegen ihren Willen beschlossenen Ausgaben akzeptieren, dass „die Mehrheiten nun einmal andere sind“. Das gelte auch für Oberbürgermeister Jakobs. Er habe „die Linke bei den Haushaltsberatungen ausgeschlossen“, so Scharfenbergs Vorwurf. „Wir hätten alle gewinnen können – aber offenbar wollte Jakobs nicht mit uns gewinnen.“
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