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Kommunikation. Die Mitarbeiterin der Europa-Universität Viadrina, Anita Kumecka, liegt während eines Seminars auf dem Rücken der argentinischen Polo-Stute Esperanza.

© dapd

Landeshauptstadt: Zwiesprache ohne Worte

Bei Steffen Kukral auf dem Krügersdorfer Pferdehof erlernen Seminarteilnehmer die Kommunikation mit den Reittieren

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Krügersdorf - Anita Kumecka steht inmitten eines eingezäunten Rondells. Um sie herum läuft die argentinische Polo-Stute Esperanza im Kreis, solange bis die junge Frau ihren Arm zur Seite weg streckt. Das Zeichen signalisiert dem Pferd, stehen zu bleiben. Kumecka freut sich, denn endlich klappt die nonverbale Kommunikation. „Es kommt drauf an, was du ausstrahlst. Weißt du nicht genau, was du willst, merkt das sensible Tier das und macht eben nicht das, was du willst“, sagt sie.

Diese Besonderheit der Pferde macht sich Esperanzas Besitzer Steffen Kukral zunutze. Der drahtige Mann mit dem breitkrempigen Cowboyhut bietet auf seinem im Schlaubetal gelegenen Pferdehof „Caballo“ spezielle Kommunikationsseminare an und stößt damit auf große Resonanz – bei Geschäftsleuten, Pfarrern oder Mitarbeitern der Frankfurter Europa-Universität, zu denen auch Kumecka gehört.

Vor zehn Jahren begründete Kukral, der Kommunikationswissenschaften, Soziologie und Psychologie studiert hat, seinen Pferdehof auf einem leerstehenden alten Bauerngehöft in Krügersdorf bei Beeskow. „Ich war so ein typischer Aussteiger und Freizeitreiter, der von seinem bisherigen Job die Nase voll hatte“, erinnert sich der 51-Jährige, der bei mehreren privaten Radiostationen in leitenden Positionen arbeitete. Das Schlaubetal kannte er vom Durchreisen.

„Ich bin von Brandenburg aufgrund seiner weiten Landschaft begeistert. Als gebürtiger Baden-Württemberger fehlten mir allerdings ein paar Hügel. Hier habe ich sie gefunden“, begründet er die Wahl seiner neuen Heimat, die er ab sofort auf dem Pferderücken erforschte. Schon bald organisierte er für Gäste Reit-Safaris durch das Schlaubetal, mit Übernachtungen in alten Mühlen und Scheunen, sowie in den Ferien Winnetou-Camps für Kinder in echten Tipis.

Inzwischen hat sich Kukral dafür eine Stammkundschaft aufgebaut, schwingt sich aber seltener in den Pferdesattel. „Mein Schwerpunkt sind jetzt die Pferdeausbildung und die Kommunikationsseminare – bei beidem wird nur selten geritten“, gesteht er. Seinen Angaben nach ist es faszinierend zu beobachten, wie sich im Zusammenspiel zwischen Mensch und Pferd Verhaltensweisen verändern. „Wir spielen gewissermaßen mit den Pferden und versuchen, die Tiere ohne Worte zu bestimmten Sachen zu bewegen. Schließlich funktionieren 97 Prozent der Kommunikation nicht über Sprache“, erläutert Kukral sein Konzept.

Die argentinischen Indianer und ihr gewaltfreier Umgang mit Pferden sind für den Wahl-Brandenburger Vorbild. Peitschen besitzt er nicht, seine zwölf Pferde verstehen auch so, worauf es ankommt.

Zunutze macht sich der Mensch seinen Angaben nach einerseits das Fluchtverhalten der dadurch stets aufmerksamen Tiere, anderseits ihre Lebensweise in der Herde, die Hierarchie, der sie sich unterordnen. „Das ist vergleichbar mit einem Team in der Arbeitswelt. Geschult wird sanftes Durchsetzungsvermögen, das Überwinden von Ängsten und der Respekt vor anderen“, sagt er.

Die Seminare sind für Menschen gedacht, die beruflich viel mit Kommunikation zu tun haben - Hotelmitarbeiter, Pfarrer, Dozenten, Journalisten. „Wir zeichnen die Seminare auf, anschließend sehen die Teilnehmer im Video, wie sie auf andere – in diesem Fall auf das Pferd – zugehen und wirken“, sagt der 51-Jährige, der gar schon auf einer Farm in Namibia Kommunikationsseminare gegeben hat. Oftmals seien Selbst- und Fremdwahrnehmung völlig unterschiedlich, hat er beobachtet. „Der Betroffene sieht sich im Film selbst und erkennt eventuelle Fehler, wird offener für Kritik“, sagt er.

Viele, die vom Arbeitgeber geschickt zu ihm kamen, waren zunächst skeptisch, hofften auf einen vergnüglichen „Ponyhof-Tag“, wie Kukral es nennt. „Hier ist noch keiner enttäuscht vom Hof gegangen“, sagt er stolz. Diese Erfahrung hat auch Anita Kumecka gemacht, die viel über sich selbst gelernt hat, wie sie sagt. „Wenn du dich klar ausdrückst, also die Führungsrolle übernimmst, reagiert das Pferd auch in deinem Sinne“, beschreibt sie. Die zierliche Uni-Mitarbeiterin, die zuvor nichts mit Pferden am Hut hatte, nimmt inzwischen bei Kukral Reitunterricht und hat ihre Scheu vor den großen Tieren verloren. Nach ermutigenden Worten des Pferdetrainers legt sie sich auf den Rücken von Esperanza und genießt den Kontakt mit der geduldigen Stute.

Bernd Kluge

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