Aus dem GERICHTSSAAL: Zwillingsbruder: „Das war ein ziemlicher Schock!“
Familienangehörige und Freunde des vermeintlichen Missbrauchsopfers im Zeugenstand
Stand:
Zwischen den Wahrnehmungen von Manfred M.* (67), seiner geschiedenen Frau und der Erinnerung des Zwillingspaares Florian* und Florentine* (28) liegen Welten. Der Mann mit dem Professorentitel soll seine Stieftochter Florentine in den Jahren 1994 und 1995 sexuell schwer missbraucht haben. Vor dem Schöffengericht bestritt Manfred M. den Vorwurf am ersten Verhandlungstag, betonte, er habe sich stets bemüht, für die Kinder zu sorgen. (PNN berichteten.) Florentine war zwölf Jahre alt, als es zu dem ersten Übergriff gekommen sein soll. 1997 machte sie gegenüber Florian Andeutungen. Da war Manfred M. schon von der Mutter der Zwillinge geschieden.
„Das war ein ziemlicher Schock für mich“, sagte Florian gestern im Zeugenstand. „Ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte. Mir war aber klar, dass es unsere Mutter erfahren muss.“ Heute verspüre er nur noch Wut auf den Mann, den er einmal als Vater anerkannte. „Meine Schwester hat mit der Bewältigung dieser Angelegenheit viele Probleme. Sie hat sich schließlich in Therapie begeben.“ Erst 2008 sei es ihr möglich gewesen, Anzeige gegen Manfred M. zu erstatten. „Ich bin empört über Florentines Behauptungen“, warf der Angeklagte ein. „ Ich habe Angst, einen sozialen Tod zu sterben.“
„Florentine war lange nicht in der Lage, mir zu schildern, was passiert ist“, erinnerte sich Sabine S.* (52) vor Gericht. „Mir war zwar aufgefallen, dass sie depressiv verstimmt war. Aber ich habe das auf die allgemeine Familiensituation geschoben“, so die Mutter der Zwillinge. Erst Ostern 2007 habe sich die Tochter ihr offenbart. „Sie erzählte, mein damaliger Mann habe gedroht, falls sie irgend jemandem etwas erzähle, würde er mir und ihrem Bruder etwas antun“, erzählte die Frau. Als sie Manfred M. „sehr direkt auf den sexuellen Missbrauch“ an seiner Stieftochter ansprach, habe dieser überraschend reagiert. „Er war weder erschrocken noch empört. Er hat Florentine beschuldigt, sich alles ausgedacht zu haben“, so die Akademikerin. „Ich glaube meiner Tochter. Ich sehe, wie es ihr geht. Sie sehnt sich nach einer Beziehung. Aber körperliche Kontakte zu Männern sind ihr einfach nicht möglich.“
„Als Florentine 14 Jahre alt war, hat sie mir erzählt, ihr Stiefvater habe Dinge mit ihr getan, die sie nicht wollte“, berichtete Katharina K.* (28), ehemals beste Freundin des vermeintlichen Opfers. „Sie hat ganz furchtbar geweint und keine vollständigen Sätze gesprochen. Ich habe Florentine als sehr ehrlichen Menschen kennengelernt. Sie würde keine Geschichten erfinden.“ Eine andere Freundin hatte bei der Polizei ausgesagt, Florentine habe ihr Weihnachten 2006 erzählt, dass der Stiefvater „immer seinen Spaß hatte“, es jedoch nie zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Ein junger Mann, mit dem Florentine öfter chattete, wusste von Geschenken des Stiefvaters zu berichten, nachdem es zu Übergriffen gekommen sei. „Florentine will keine Rache. Sie möchte nur, dass bekannt wird, was damals passiert ist“, betonte ein ehemaliger Mitstudent.
Die Verhandlung soll am 22. November mit der Urteilsverkündung fortgesetzt werden. (*Namen geändert.) Hoga
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