Homepage: Zwischen Autonomie und staatlicher Gängelung
Soziologen diskutierten Entwicklungen in der Hochschullandschaft
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„Sind Kernelemente der wissenschaftlichen Freiheit der Ökonomie geopfert worden?“, fragte Sabine Kunst, die brandenburgische Wissenschaftsministerin. Selten komme sie dazu, sich mit so grundsätzlichen Fragen zu beschäftigen. Die Konrad Adenauer Stiftung Brandenburg hatte zur Diskussion in die eindrucksvollen Räumlichkeiten der Kleinen Kammern Sanssouci eingeladen. „Die Universität der Zukunft – verloren zwischen Autonomie und staatlicher Gängelung“ war das Thema. Fachleute untersuchten die Entwicklung der Hochschullandschaft in den vergangenen Jahrzehnten. Diese hatten den Hochschulen mehr Autonomie gegenüber staatlichen Vorgaben und Richtlinien gebracht. Das habe möglicherweise einen Prozess in Gang gesetzt, dessen Auswirkungen nun auch vonseiten der Politik kritisch betrachtet würde, vermutet Kunst. Dementsprechend würden verschiedene Landesregierungen gegenwärtig Überlegungen anstellen, wieder mehr Einfluss auf die Hochschulentwicklung zu nehmen, stellte der Diskussionsleiter Jan-Martin Wiarda fest.
Zwei Soziologen diskutierten auf dem Podium: Ulrich Teichler und Stefan Kühl. Beide befassen sich bei ihrer Lehrtätigkeit mit universitären Strukturen und Entscheidungsprozessen und begleiten die gegenwärtigen Veränderungen der Hochschullandschaft mit kritischen Beiträgen und Veröffentlichungen. In einem Grußwort und in der anschließenden Publikumsdiskussion äußerte sich auch die Ministerin. „Die Hochschule steht im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Wissenschaft und Ökonomie“, stellte Kunst fest.
Eben dieses Spannungsfeld sei mit dem Bologna-Prozess in den vergangenen Jahren neu geordnet worden, sagte Jan-Martin Wiarda. Zwar seien Universitätsstrukturen, in denen die Professoren eine Übermacht gehabt hätten, abgelöst worden. Es sei aber fraglich, ob eine Universität, in der die Gremien eine Übermacht hätten und die zudem auf das Einwerben von Drittmitteln ausgerichtet sei, der Weisheit letzter Schluss sei.
„Es hat eine Zerfaserung der Universitäten mit der Schaffung von vielen Mikromasterstudiengängen stattgefunden. Das ist nicht immer positiv“, stellte auch Stefan Kühl fest. Zudem seien die Grenzen zwischen Fachhochschulen und Universitäten immer mehr verwischt worden. Es gelte, die wissenschaftliche Lehre an der Hochschule wieder zu stärken. Denn diese sei dadurch ins Hintertreffen geraten, dass Drittmittel am ehesten in eine Forschung fließen würden, die unmittelbar verwertbare Ergebnisse bringe. Die Qualität einer Hochschule nach unmittelbar quantifizierbaren Größen zu bemessen sei aber kaum möglich. „Wenn mehr Promovierende gefordert sind, kann ich das auch erreichen, indem ich die Standards für eine Promotion senke“, erklärt Kühl.
Kritisch betrachtete Ulrich Teichler auch die Exzellenzinitiative der vergangenen Jahre. Diese habe einige Superstars und viele kleine Nachahmer hervorgebracht. Notwendig sei aber eine Spezialisierung der Hochschulen und hierbei eine breite Qualifizierung auf hohem Niveau. Die Idee, die Unis mit Weiterbildungsseminaren und managementartigen Strukturen umzuformen, sei kontraproduktiv, bemerkten die Diskutanten. „Professoren lassen sich allenfalls bei einem Glas Wein, aber nicht in Seminaren fortbilden“, erklärte Teichler. Kühl warf ein, dass der Dialog um das Verhältnis zwischen Universitäten und staatlichen Vorgaben neu in Gang kommen müsse. „Die Dialogfähigkeit der Hochschulen ist generell gegeben", stellte dagegen ostentativ Sabine Kunst fest. Sie sei auf die Ergebnisse gespannt, die sich aus der aktuellen Studie Kühls ergeben würden. Denn diese handele von den Entscheidungsprozessen in Kollegialorganen, also auch in Uni und Parlament. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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