
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Zwischen Efeu und Blausternen
Der frühere Friedhof des Militärwaisenhauses ist verwahrlost – Potsdamer mahnen würdigen Umgang an
Stand:
Babelsberg - Es ist ein vergessener Ort, der durch die Bauarbeiten an der Nuthestraße jetzt wieder ins Blickfeld rückt: Der frühere Friedhof der Waisenhausstiftung wurde bereits in den 1970er Jahren entwidmet und teilweise unter der damals neuen Nuthestraße begraben (PNN berichteten). Die aktuellen Abrissarbeiten an dieser Stelle haben besorgte Potsdamer auf den Plan gerufen, die nach dem Schicksal der womöglich dort noch befindlichen Gräber fragen und einen würdigen Umgang damit anmahnen. Grabsteine, Gebeine oder ähnliches seien bei den Bauarbeiten aber „zu keiner Zeit“ freigelegt worden, betonte Stadtsprecherin Regina Thielemann am Dienstag gegenüber den PNN.
Überreste des Friedhofs entdeckt der aufmerksame Spaziergänger dagegen auf dem verwahrlosten Gelände nordöstlich der Auffahrt Babelsberg zur Nuthestraße – also neben der Baustelle: Auf den ersten Blick handelt es sich um eine Dreckecke. Das von Gestrüpp zugewucherte Waldstückchen dient als Müllhalde für leere Weinflaschen, faulige Holzlatten, ausgediente Weihnachtsbäume und abgelegtes Kinderspielzeug. Auf den zweiten Blick fällt die besondere Vegetation auf: jede Menge Efeu, eine alte Eibe, immergrüne Mahoniensträucher, leuchtende Blausterne zwischen dem ausgeblichenen Herbstlaub – ein typischer Friedhofsbewuchs. Auch Reste von Grab- oder Gedenksteinen finden sich hier und dort.
Vor einigen Jahren seien es noch viel mehr gewesen – auch Inschriften habe man darauf entziffern können, erinnert sich der Potsdamer Hans-Otto Träger. Auch eine Gedenkplatte mit dem Hinweis auf den Friedhof sei mittlerweile verschwunden. Sein Arbeitsweg führte ihn täglich mit dem Fahrrad an dem Waldstück vorbei, erzählt der Finanzbeamte im Ruhestand. Dass die früheren Gräber nun zusehends verkommen, ärgert ihn – er fordert einen würdigen Umgang mit den hier begrabenen Waisenkindern.
Der Friedhof wurde 1727 vom wenige Jahre vorher gegründeten Militärwaisenhaus eingerichtet, er war nach Informationen von René Schreiter, dem Historiker der Waisenhausstiftung, noch bis 1952 in Gebrauch. Begraben wurden dort demnach nicht nur Kinder, sondern auch Angestellte und Lehrer der Waisenhauses. 1952 wurde die Waisenhausstiftung von den DDR-Behörden aufgelöst und enteignet, der Friedhof wurde später für den Bau der Nuthestraße umgewidmet – damals seien auch viele Gräber zerstört worden. Der Stiftungshistoriker hatte sich offen für Gespräche über eine nachträgliche Würdigung der Begrabenen gezeigt – tätig werden kann die Stiftung nicht, weil die Fläche in städtischem Besitz ist.
Für die Stadt handelt es sich nach der Entwidmung aber nicht mehr um Friedhofsgelände: „Der Friedhof existiert seit diesem Zeitpunkt nach dem Gesetz nicht mehr“, sagt Stadtsprecherin Regina Thielemann. Ähnlich sieht das auch Rainer Baatz, der Geschäftsführer der mit der Entwicklung von Babelsberg betrauten Stadtkontor GmbH: „Das ist ein aufgelassener Friedhof.“ Baupläne für das verbliebene freie Gelände gebe es nicht. Nach Abschluss der Bauarbeiten an der Nuthestraße sei vorgesehen, den Bereich zu pflegen und das Gestrüpp zu lichten.
Am heutigen Mittwoch 16 Uhr eröffnet die Stiftung Großes Waisenhaus in der Breiten Straße 9a ein Museum zur fast 300-jährigen Geschichte der Einrichtung, die sich heute um benachteiligte Jugendliche kümmert. Die Dauerausstellung ist werktags von 10 bis 17 Uhr geöffnet – nach Anmeldung unter Tel.: (0331) 28 1 4 66.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: