Potsdamer Garnisonkirche: Zwischen Mythos und Erinnerung
Die Potsdamer Garnisonkirche ist mehr als ein verstaubter Ort preußischer Rückbesinnung. Zu dieser Neubewertung kommen Historiker in einer Publikation des Zentrums für Militärgeschichte. Sie öffnen den Blick auf die vielfältigen Facetten des Ortes.
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Diese Kirche polarisiert wie kaum eine andere im Lande. Für die einen ist die einstige Hof- und Garnisonkirche Potsdam ein Symbol des Reaktionären, militaristisch besetzt und politisch missbraucht. Für andere hingegen ist der prächtige Steinbau, der über 300 Jahre die Silhouette der Stadt geprägt hat, wunderschön und einzigartig. Der in den vergangenen Jahren erbittert geführte Streit um den Wiederaufbau des soliden, 88 Meter hohen Sakralbaus an der Breiten Straße hat gezeigt, dass es im Gegensatz zu anderen Wiederaufbauprojekten wie etwa der Dresdner Frauenkirche nie gelang, die Garnisonkirche zu einem positiv besetzten Erinnerungsort werden zu lassen. Die Gründe dafür liegen tief in der deutschen Geschichte.
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Nun haben sich Potsdamer Zeit- und Militärhistoriker dem Topos angenommen. In einem kleinen inhaltsschweren Band diskutieren sie die Kirche als historischen Ort zwischen Mythos und Erinnerung. Michael Epkenhans und Carmen Winkel haben für das Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) namhafte Autoren zusammengebracht, die sich den verschiedenen Facetten des Phänomens zu nähern versuchen. Keine lückenlose Erinnerungschronik ist daraus geworden, sondern vielmehr ein Wegweiser durch die mythenbeladene Geschichte der Kirche – gedacht als Beitrag für eine vorurteilsfreie Debatte.
Die lang währende Auseinandersetzung um den Wiederaufbau der 1968 von der DDR-Obrigkeit gesprengten Kirche sehen die Herausgeber als Stellvertreterdiskussion für die Suche der Stadt nach einer eigenen Identität. Über 20 Jahre nach dem Mauerfall sei es Potsdam immer noch nicht gelungen, einen klaren städtebaulichen Weg zu finden. Die Stadt sei immer noch auf der Suche nach einem Gegenentwurf zum architektonischen Scheitern der DDR.
HINTERGRUND
Um den Wiederaufbau der Garnisonkirche wird seit Langem gerungen. Nach dem Scheitern der rückwärtsgewandten Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel sammelt nun die „Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche“ mit landes- und kommunalpolitischer Unterstützung Mittel für das Projekt. Die Initiative hat sich bislang von nationalkonservativen Positionen distanziert. Bauherr soll dann die Stiftung Wiederaufbau der Garnisonkirche werden. In das 100 Millionen Euro schwere Wiederaufbauprojekt sind bislang weitaus mehr öffentliche als private Gelder geflossen: Von insgesamt 18,5 Millionen Euro an gesammelten Geldern kommen 12,4 Millionen Euro vom Bund und zwei Millionen Euro vom Land Brandenburg – aus dem Vermögen der früheren DDR-Parteien und -Massenorganisationen. Die Bundesregierung will den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche mit zwölf Millionen Euro fördern. Nach einer entsprechenden Zusage von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) im August dieses Jahres sollen in den Jahren 2014 und 2015 je sechs Millionen Euro dafür bereitgestellt werden. Zuvor hatte Neumann die Garnisonkirche zur „national bedeutsamen Kultureinrichtung“ erklärt. Mit dem Geld aus dem Bundeskulturhaushalt könnte im Frühjahr 2014 mit dem Bau begonnen werden, wenn das Parlament zustimmt. Zumindest Turm und Kapelle – ihre Errichtung kostet zusammen rund 40 Millionen Euro – sollen nach dem Willen der Initiatoren dann 2017 fertig sein. (PNN)
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