zum Hauptinhalt
Neu in Potsdam. Gisela und Oloff Lange sind gekommen um zu bleiben.

© Ch. Freytag

Neu in Potsdam: Zwischen Platt und Berliner Schnauze

Wie viele Neupotsdamer jeden Monat in der Stadt ankommen, kann Fides Mahrla nur schätzen. Etwa 150 Einladungen bringt sie jeden Monat ins Stadthaus.

Stand:

Wie viele Neupotsdamer jeden Monat in der Stadt ankommen, kann Fides Mahrla nur schätzen. Etwa 150 Einladungen bringt sie jeden Monat ins Stadthaus. Dort werden sie in die Willkommenstüten mit Infomaterial für Zugezogene gesteckt: Einladungen zu einem Begrüßungsabend, einem lockeren Zusammensein, das der Verein Kulturstadt Potsdam organisiert. Dessen Vorsitzende ist Fides Mahrla, die auch am vergangenen Mittwoch Neubürger aufs Herzlichste begrüßt.

Die Ausbeute der 150 Einladungen ist dieses Mal relativ hoch: Elf Gäste in fortgeschrittenem Alter sind in das Restaurant „Zum Fliegenden Holländer“ gekommen. „Wir haben hier auch schon mal zu zweit gesessen“, sagt Mahrla. Immerhin ist dieses Mal sogar ein Gast gekommen, obwohl er in seiner Tüte gar keine Einladung fand. Er und seine Frau bekommen trotzdem das Glas Rex-Pils, das der Wirt jedem Neuzugang spendiert. Ob es gut ist? „Nun ja, wenn man es geschenkt bekommt“, ist die höfliche Antwort.

„Der Abend bietet Gelegenheit zum Kennenlernen und Kontakteknüpfen“, sagt Fides Mahrla. Und weil der Abend nicht lang ist, da in 30 Minuten der Vereinsstammtisch tagt, beginnt gleich die Vorstellungsrunde. Das ist ein bisschen, als sei man neu in der Schule, die Gäste nennen Namen, Herkunftsort und warum es sie nach Potsdam verschlagen hat. „Aus Lust und Laune?“ fragt Fides Mahrla.

Beim Ehepaar Oloff und Gisela Lange aus Hamburg stimmt das tatsächlich. Seit kurzem sind sie Ruheständler, und als sie 2014 Freunde in Potsdam besuchten, gefiel es ihnen hier so gut, dass sie selbst herziehen wollten. Die perfekte Wohnung fanden sie in der Speicherstadt – direkt am Wasser. Den Ex-Hamburgern kommt das entgegen. „Ich hab noch nie so wenig ferngesehen wie hier“, sagt Oloff Lange in schönstem Norddeutsch. „Auf dem Wasser ist ganz schön was los.“ Für den tollen Havelblick haben die beiden ihr Hamburger Häuschen verkauft. Und es bisher nicht bereut.

Dann die Überraschung: Die Tischnachbarn kommen auch aus Hamburg. Sie sind nach Potsdam gezogen, um in der Nähe des Sohnes zu sein. Und im Kurfürstenstift untergekommen. Ebenfalls neu in Potsdam: Ein Paar aus Berlin, eine Dame aus Schleswig-Holstein, ein Herr aus Mainz, ein Paar aus dem Sauerland. Der Kinder wegen hergezogen, sagt sie. Jetzt wohnen sie am Volkspark. „Wir fühlen uns hier unheimlich wohl.“

Das hört Fides Mahrla gerne. Potsdam hätte damals, 2003, auch den Titel Kulturhauptstadt Deutschland verdient. „Aber Essen ist es dann geworden. Das konnten wir nun gar nicht verstehen“, sagt sie. Damals gründete sich der Verein, um die Stadt bei der Bewerbung um den Titel zu unterstützen. Nun machen sie für sich selbst Kulturarbeit, organisieren Ausflüge, Vorträge, Feste. Dazu sind die neuen Bürger natürlich herzlich eingeladen. Mit oder ohne Vereinsmitgliedschaft. Aber natürlich wäre es schön, wenn sie wiederkommen würden, zu den Vereinstreffen.

Mittlerweile ist der Saal voll, die Vereinsstammtische sind gut besetzt. Die Akustik macht allen zu schaffen. Eins muss die Dame aus dem Sauerland aber noch loswerden. „Warten Sie, bis Sie die Berliner Schnauze erleben“, sagt sie in die Runde. Und erzählt, wie sie von einer Verkäuferin unfreundlich abserviert wurde. „Naja, Sauerländer sind als Sturköpfe bekannt“, witzelt der Hamburger. Wer mag, trägt sich zwischen Rex-Pils und Käseplatte in die Liste für den Vereinsrundbrief ein. „Wenn Sie noch Fragen haben, einen Zahnarzt oder Sportverein suchen...“ sagt Fides Mahrla zum Abschied. „Sehen Sie“, sagt einer der Gäste, „Ankommen in Potsdam ist überhaupt nicht schwer.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })