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Landeshauptstadt: Zwischen Suppenküche und Schlosskeks

Andrang im Sozialen Zentrum der Volkssolidarität, Kirche zufrieden mit Interesse an der Adventskapelle, Hartz-IV-Betroffene fordern mehr Unterstützung

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Innenstadt - Knapp zehn Kinder springen auf dem Gang des Bürocontainers herum, tollen ausgelassen durch die Menge der Erwachsenen, die sich am Nachmittag des 24. Dezembers um noch ein Stück Torte bemühen. Kinder, die wie tausende auch an Heiligabend nur auf eins warten: die Geschenke vom Weihnachtsmann. Die Präsente in den Tüten sind weder vom Weihnachtsmann noch von den Eltern. Es sind Spenden von Kindereinrichtungen, Privatleuten und Firmen. Gaben, um den Bedürftigen unter Potsdams jüngsten Einwohnern ein einigermaßen erträgliches Fest zu verschaffen: Weihnachten in der Potsdamer Suppenküche.

90 Anmeldungen – so viel wie noch nie – gingen bei Suppenküchenchef Friedhelm Lother ein. Ein Zeichen, dass die Klientel den neuen Standort angenommen hat, sagt Jörg Jutzi, stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Volkssolidarität, die die Suppenküche betreibt. Seit gut einem Jahr hat das Soziale Zentrum sein Domizil auf dem Gelände der Stadtverwaltung. Anfängliche Skepsis auf beiden Seiten hätten sich schnell zerschlagen, sagte Jörg Jutzi. So hätten Besucher der Suppenküche die Grünflächen um das Containerhaus urbar gemacht und die Pflege übernommen – Beweis dafür, dass sie sich für den Standort einsetzen würden.

Rund 11 000 Mal wurden die Offerten der Suppenküche im zu Ende gehenden Jahr in Anspruch genommen, seit dem Umzug auf das Gelände der Stadtverwaltung hat sich deren Angebotspalette noch erweitert. Es gibt einen Wäscheservice, außerdem konnte ein Mutter-Kind-Raum eingerichtet werden. Vor allem letzterer wurde seit den Herbstmonaten verstärkt genutzt, so Jutzi. „Es kommen immer mehr, vor allem mehr Kinder.“

Für die Linkspartei in Potsdam ein Zeichen, sich um Armut bei Kindern zu kümmern. Ein wenig Orientierung bietet die geschätzte Größe von 1500 bedürftigen Kindern, denen die Stadt ein kostenloses Schulmittagessen gewähren will (PNN berichteten). Auch die Zahl der so genannten „Aufstocker“ – Menschen die ihren Verdienst zusätzlich durch Geld vom Amt aufstocken müssen – sei „erschreckend angestiegen“, sagte Linksfraktionsmitglied Sigrid Müller. Traditionell brachte die Linksfraktion Praktisches als Weihnachtspräsent in die Suppenküche: einen Pürierstab, ein Wunsch der Küchencrew. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) spendete Geld, um drei der dringlichsten Wünsche zu erfüllen: Gitterregale, Stühle und ein Computer. Wunschlos glücklich ist Küchenchef Friedhelm Lother hingegen noch nicht: Suppentassen, Salz- und Pfefferstreuer, Besteck, Waschmittel, Besen und Mülleimer seien gern gesehene Spenden. Gesichert waren die Essen an den Feiertagen. Die Gänsebraten wurden von Matthias Kersch und seiner Lebensgefährtin Kerstin Krahlisch organisert (PNN berichteten). Das Essen am zweiten Feiertag – Kassler und Sauerkraut – sponserte traditionell der Linkspolitiker Rolf Kutzmutz.

Fast ohne Förderung, aber nicht weniger gemütlich feierten „Hartz IV-Betroffene“ im Sekiz. Bereits zum fünften Mal traf sich der Verein um Vorsitzenden Jürgen Weber an Heiligabend, um „fröhlich zu feiern“. Ganz ohne Kritik kam Weber dann aber nicht aus: „Leider mussten wir diesmal erstmals einen Unkostenbeitrag erheben, weil kaum Hilfe aufzutreiben war.“ Hartz IV sei eben nicht das Stadtschloss, äußerte Weber einen sarkastischen Seitenhieb auf die Millionenspende für den Landtagsneubau. Besonders die Stadt sehe er jedoch in der Pflicht, dem Verein unter die Arme zu greifen. Ein Antrag auf Förderung wurde gerade abgewiesen, weil „die Verwaltung mit uns nichts anzufangen weiß“, wie Weber meinte. Dabei könne er für sein neues Projekt durchaus Hilfe brauchen, so Weber: Der Verein will in der Sparte „Zum Pfingstberg“ einen Erlebnisgarten einrichten. Die Pacht werde von der Gartensparte übernommen, doch für Umgestaltung und Einzäunung werden Mittel nötig sein, glaubte Weber. Mit Spenden der Bäckerei Braune und dem Geschäft „Vom Fass“ und einem selbstgestalteten Programm ließ sich die kleine Gruppe aber den Feierspaß an Heiligabend nicht nehmen.

Besinnlichkeit im einzig noch offenen Haus des Potsdamer City-Weihnachtsmarkts: Die Buden liegen im tiefen Dunkel, nur aus der Adventskapelle auf dem Luisenplatz dringt leise Musik und warmes Licht. Auch hier gibt es Geschenke für die Einkehrenden – gestiftet von Innenstadthändlern. Initiator Wolfgang Cornelius war besonders über den Schlosskeks stolz, der in jedem der 50 Präsente steckte. Dazu gibt es Obst, Süßigkeiten und eine Weihnachtskarte mit einem Gedicht von Jacques Brel. Schon nach einer Stunde ist die erste Geschenkekiste leer, viele Familien schauen auf ihrem Weihnachtsspaziergang kurz herein. „Wir sind unheimlich glücklich, wie gut die Kapelle angenommen wurde“, sagte rückblickend Eduard Paul Eylert, der mit seiner Tochter Astrid-Beate freiwillig Weihnachtsdienst schob. Cornelius ergänzte, er sei vor allem glücklich dass sich der Weihnachtsmarktbetreiber Coex verpflichtet habe, die Kapelle abzubauen und zu lagern, um sie im kommenden Jahr wieder aufzubauen. „Und auch die Restfinanzierung ist dank eines Preisgeldes, das für die Idee der Adventskapelle in Hamburg vergeben wurde, nun gesichert“, freute sich Cornelius.

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