Landeshauptstadt: Zwischen Zuspruch und Kritik Potsdam ist gescheitert: Sind Fixierung auf Innenstadt und Selbstüberschätzung schuld?
Nach der Niederlage geht der Blick nach vorn. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) fordert, dass nach dem Ausscheiden Potsdams als Bewerber für die europäische Kulturhauptstadt 2010 der Schwung der vergangenen Monate auch in Zukunft überleben müsse.
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Nach der Niederlage geht der Blick nach vorn. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) fordert, dass nach dem Ausscheiden Potsdams als Bewerber für die europäische Kulturhauptstadt 2010 der Schwung der vergangenen Monate auch in Zukunft überleben müsse. Obwohl die Begründung der Jury so klinge, als habe Potsdam schon jetzt „zu viel Kultur“ und könne daher auf diesen Titel verzichten, appellierte Platzeck an die zahlreichen Kulturinitiativen wie der Bürgerinitiative zur Unterstützung der Bewerbung, mit ihrer Arbeit weiter zu machen. Fides Mahrla von der Bürgerinitiative erklärte gegenüber den PNN, dass die für Mai geplante Palmen-Installation auf dem Luisenplatz auf jeden Fall stattfinden wird. Zwar habe der Verein nun sein Hauptziel verloren, doch soll das bürgerliche Engagement der Mitglieder weiter laufen. Darüber werde aber erst in den kommenden Wochen im Rahmen einer Mitgliederversammlung entschieden werden, erklärte Mahrla. Die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein (SPD) nannte es „klug und wohl durchdacht, Potsdams eindrucksvolle Stärken und Potenziale selbstbewusst heraus zu stellen“. Zwar haben diese „außergewöhnlichen Potenziale“ die Jury nicht überzeugen können, doch seien die Bemühungen für die Landeshauptstadt nicht umsonst gewesen, da die endgültige Entscheidung erst im Juni im Bundesrat fallen. Bis dahin heiße es für alle Bürger der Stadt: „Ranklotzen und weitermachen“, fordert Wicklein. Der PDS-Fraktionsvorsitzende und Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg hofft ebenfalls, dass der Schwung der Bewerbung auch weiterhin anhalte und so noch mehr Touristen in die Stadt kommen. Kritik äußert Scharfenberg an der zu starken Ausrichtung der Bewerbung auf die Innenstadt. „Vielleicht hätte weniger auf die Wiederherstellung von Potsdams historischer Mitte, sondern mehr auf die generellen Entwicklungsmöglichkeiten der Stadt gesetzt werden sollen“, so der PDS-Politiker. Scharfenberg fordert, dass neben dem Projekt der Schiffbauergasse vor allem der Campus am Stern weiter voran getrieben werden müsse. Denn hier stehe noch immer nicht fest, auf welchem Weg dieses „anspruchsvolle Vorhaben“ realisiert werden kann. Lutz Boede von der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisiert ebenfalls die starke Fixierung auf die historische Innenstadt. „Mit diesem Image lässt sich außerhalb der Potsdamer Kleinstadtidylle kein Blumentopf gewinnen.“ Schärfere Kritik wird von der CDU geäußert. Die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche sieht Gründe für das frühzeitige Scheitern vor allem „in den Planungsdefiziten und der mangelnden Einbindung der Bürger in die Bewerbung“. Nachdem Potsdam zuvor schon den Titel Stadt der Wissenschaft verpasst habe, dränge sich nun der Eindruck auf, „dass beide Bewerbungen mit wenig Herzblut und einem gewissen Maß an Selbstüberschätzung betrieben wurden“, meint Reiche. So seien „dringend benötigte finanziellen Zuwendungen“ verspielt worden. Der CDU-Landtagsabgeordnete Wieland Niekisch bezeichnet das Scheitern als den „zweiten Bewerbungsflop der Potsdamer Verwaltungsakteure“. Der Verwaltung wirft Niekisch ein „unprofessionelles Kulturmanagement“ vor. In einer Pressemitteilung erklärte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), dass die durch die Kulturhauptstadt GmbH begonnenen Projekte wie der Filmwettbewerb und die geplante Medientagung im September weitergeführt werden sollen. Am kommenden Donnerstag entscheidet eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung über die Zukunft der GmbH. Auf die Weiterentwicklung des Kulturstandortes Schiffbauergasse und andere kulturelle Projekte werde die abgelehnte Bewerbung keinen Einfluss haben. Auf die Frage, ob die in der Bewerbungsschrift veranschlagten 35 Millionen Euro, die bei einem Erfolg in die Stadt geflossen wären, schon jetzt bei bestimmten Projekten fehlen, sagte die Pressesprecherin der Stadt Regina Thielemann: „Dazu äußern wir uns nicht.“ Erich Jesse, Geschäftsführer des Sanierungsträgers Potsdam, hatte aber schon Anfang der Woche geäußert, dass nur eine erfolgreiche Bewerbung die notwendige Schubwirkung auf weitere Maßnahmen bei der Stadtentwicklung und -sanierung haben würde.
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