Landeshauptstadt: Zwölf für Potsdam
Ein Dutzend der 88 neuen Brandenburger Landtagsabgeordneten kommt aus Potsdam. Die PNN haben nachgefragt, was sie für ihre Stadt erreichen wollen. Und dokumentieren einen ungewöhnlichen Protest
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Altbekannte Gesichter sind dabei, aber auch einige neue – ebenso ein Ex-Minister, eine Noch-Ministerin sowie zwei Mitglieder einer erstmals vertretenen Partei: Zwölf der 88 neuen und alten Abgeordneten des neuen Brandenburger Landtags, der am gestrigen Mittwoch konstituiert wurde, wohnen in Potsdam. Die PNN haben je einen Volksvertreter aus jeder Fraktion befragt, was er im Parlament für seine Heimatstadt erreichen will. Auch der fraktionslose AfD-Politiker Stefan Hein, der ebenfalls in Potsdam lebt, ist der Vollständigkeit halber dabei.
SPD
In der größten Fraktion im neuen Brandenburger Landtag sitzt tatsächlich nur eine Potsdamerin: Klara Geywitz. Die SPD-Generalsekretärin, die zurzeit mitten in den Koalitionsverhandlungen mit den Linken steckt, holte im Innenstadt-Babelsberg-Wahlkreis 21 das Direktmandat für die Sozialdemokraten und erreichte dort 28,0 Prozent. „Ich arbeite dafür, dass Potsdam eine lebenswerte Stadt bleibt“, sagte Geywitz am Mittwoch. Im neuen Landtag wolle sie sich vor allem dafür einsetzen, dass Potsdam bei seinem Wachstum unterstützt werde – unter anderem durch sozialen Wohnungsbau, Geld für gute Bildung und Investitionen in die Infrastruktur.
CDU
Hingegen mit zwei Potsdamern unter den Landtagsabgeordneten kann die CDU aufwarten: Das ist zum einen Saskia Ludwig, die das Direktmandat für den Landkreis 19 gewann, zu dem neben dem Norden Potsdams auch Werder und Schwielowsee gehören. Knapp besiegte die von ihren Parteifreunden einst geschasste Landes- und Fraktionschefin dort den Potsdamer SPD-Chef Mike Schubert mit 31,7 Prozent. Ebenfalls aus Potsdam kommt Steeven Bretz, der über die Landesliste einzog. Der Unionspolitiker will sich im Parlament eigenen Angaben zufolge vor allem für drei Potsdamer Belange starkmachen: eine Entspannung des Wohnungsmarktes, den Erhalt der Kreisfreiheit für Potsdam und eine Lösung für das Go:In. Denn die drohende Abwanderung von Spitzen-Start-ups aus dem Golmer Innovationszentrum hält Bretz für „sehr befremdlich“ und „äußerst provinziell“. Er will erreichen, dass Stadt und Land sich zusammensetzen und sich des Problems annehmen.
Die Linke
Mit einem Drittel sind die meisten der zwölf Potsdamer Landtagsabgeordneten Mitglieder der Linksfraktion: Ex-Justizminister Volkmar Schöneburg hat hier seinen Wohnsitz genauso wie die Noch-Umweltministerin Anita Tack – die auch Mitglied der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung ist. Auch ein neues Gesicht aus Potsdam ist im aktuellen Landtag vertreten: Die Landeschefin des Linke-Nachwuchsverbandes Solid, Isabelle Vandré. Sie sorgte gleich bei der konstituierenden Sitzung für Aufmerksamkeit, weil sie am Landtagsgebäude eine Protestaktion gegen die rechtspopulistische AfD organisiert hatte. Rund 20 Demonstranten versammelten sich am Mittwochvormittag daraufhin unter dem Motto „AfD shut up!“ („AfD, halt den Mund“). Vandré selbst blieb außerdem der Eröffnungsrede von AfD-Landeschef Alexander Gauland demonstrativ fern – der 73-Jährige hatte das Rederecht, weil er als ältester Abgeordneter Alterspräsident des neuen Parlaments ist und noch vor der offiziellen Wahl von Britta Stark zur Landtagspräsidentin die Sitzung eröffnen durfte. Per Direktmandat in den Landtag eingezogen ist Hans-Jürgen Scharfenberg, der in seinem von Plattenbauvierteln dominierten Wahlkreis stolze 38,4 Prozent der Stimmen holte. Im Landtag will er sich dafür einsetzen, dass Potsdam „als Zentrum für das ganze Land“ weiterentwickelt wird – Stichwort Kreisfreiheit. Schließlich repräsentiere die Stadt ganz Brandenburg – auch wenn es, wie Scharfenberg einräumt, immer wieder Eifersüchteleien in anderen Regionen gibt. Außerdem will er an der Wohnungsbauförderung durch das Land festhalten und den Betreuungsschlüssel bei den Kindertagesstätten erhöhen – eine Verbesserung, die gerade Potsdam als geburtenstarke Stadt zugutekomme.
AfD
Viertgrößte Fraktion mit zehn Abgeordneten ist die erstmals im Brandenburger Landtag vertretene rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD). Zwei der zehn Volksvertreter wohnen in Potsdam: Der Rechtsanwalt Thomas Jung und AfD-Landeschef Alexander Gauland. Auch wenn dieser sich in letzter Zeit vor allem mit Querelen in seiner eigenen Fraktion beschäftigen musste – unter anderem wurde sein Stiefsohn Stefan Hein wegen Weitergabe von Parteiinterna an die Medien aus der Fraktion ausgeschlossen – hat Gauland eine Meinung zu zumindest zwei Potsdamer Themen. So will er sich für den Wiederaufbau der Garnisonkirche einsetzen und etwas gegen steigende Mieten tun. „Der Zuzug ist ja erfreulich, aber offenbar nicht mehr steuerbar“, sagte er am Mittwoch. Es könne nicht sein, dass sich nur Reiche das Wohnen in der Stadt leisten könnten und alle anderen in Plattenbauten leben müssten.
Stefan Hein (fraktionslos)
Erst zwei Tage vor der ersten Landtagssitzung am Mittwoch war er aus der AfD-Fraktion ausgeschlossen worden: Der Sohn der Lebensgefährtin von AfD-Landeschef Gauland, Stefan Hein. Dem vorangegangen war ein veritabler Skandal: Hein hatte Medien Parteiinterna zugespielt, hinter dem Rücken von Stiefvater Gauland. Nun will sich der Potsdamer als Einzelkämpfer einbringen – auch für Themen, die seine Heimatstadt betreffen. So will er für ein neues Verkehrsleitsystem in Potsdam eintreten und gegen den weiter wachsenen Schuldenberg der Stadt ankämpfen – dieser liege nämlich wegen der vielen Extra-Haushalte und Beteiligungen der Stadt bei rund einer Milliarde Euro. „Das weiß nur keiner“, sagt Hein.
Die Grünen
Von den sechs Grünen-Abgeordneten leben zwei in Potsdam: Heide Schinowsky, die zuvor als Referentin im Berliner Abgeordnetenhaus gearbeitet hat, und die bereits aus der vergangenen Legislaturperiode bekannte Marie Luise von Halem. Ihr Thema ist vor allem die Bildung – auch in Bezug auf ihre Wahlheimat Potsdam. So will sie sich nach ihren eigenen Worten im Landtag für eine gute Qualität in den Kindertagesstätten einsetzen und dafür kämpfen, dass Kinder mit Behinderung einen gerechten Zugang zu den Regelschulen erhalten. Und sie will die Bedingungen für Flüchtlinge in der Landeshauptstadt verbessern. So habe sie eine Potsdamer Schule gefunden, die sich bereit erklärt hat, Flüchtlingen das Fahrradfahren beizubringen – eine Sache, die in Deutschland ganz selbstverständlich sei, in vielen Herkunftsländern aber nicht, so von Halem. Welche Schule dies sei und wann das Projekt startet, will sie zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben.
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