Kultur: „ sich selbst wie die Woge bewegen“
Erinnerungen an den Maler Siegward Sprotte, der am 7. September starb
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Erinnerungen an den Maler Siegward Sprotte, der am 7. September starb Von Klaus Büstrin Die Bilder Siegward Sprottes sind mir schon seit der Kindheit bekannt. Damals vor wohl 50 Jahren kam ich des öfteren in das Haus der Familie Sprotte in der Bornstedter Katharinenholzstraße. Mit einer „dienstlichen“ Aufgabe war mein Eintritt auch in das große Wohnzimmer verbunden. Ich überbrachte Herrn und Frau Sprotte, den Eltern des damals schon bekannten Malers, die Zeitung, die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten. Wenn man ins Haus wollte, musste man den Vorgarten passieren. Er war anders als die vielen Gärten ringsherum, in denen Salate, Blumenkohl, Rosenkohl gedeihten. Hin und wieder sah man auch farbkräftige Sommerastern. Bei den Sprottes jedoch wuchsen besondere Stauden und Bäume, vor allem in dem großen Garten, der sich hinter dem Haus erstreckte und in den man vom Wohnzimmer aus gut hineinsehen konnte. Er wirkte auch wie ein Park. Später wurde mir gesagt, dass die Sprottes gute Bekannte des Staudenzüchters Karl Foerster waren, der eine Gärtnerei in Bornims Am Raubfang besaß, nur wenige Schritte von der Katharinenholzstraße entfernt. Irgendwie haben mich, Mitte der fünfziger Jahre, die Bilder Sprottes angezogen, die wunderbaren Blumen- und Landschaftsbilder, vor allem die mit den blauen Ritterspornen vor dem dunklen Hintergrund der Nadelgehölze. Den Maler selbst habe ich damals nur hin und wieder in Bornstedt getroffen. Er wohnte bereits auf der Insel Sylt. Doch so manch Aquarelle und Grafiken Siegward Sprottes blieben mir nah. Ich konnte sie immer wieder bei Ursula Ebert, der Tante Wolfgang Joops, sehen. Im Jahre 1988, da war ich schon längst Redakteur einer Zeitung, hieß es, Siegward Sprotte bereite im Potsdam-Museum eine Ausstellung vor. Es war die erste nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimatstadt, in der er am 20. April 1913 geboren wurde. In aller Welt zeigte er seine Bilder. Galerien und Museen waren und sind stolz, Sprottes Ölbilder, Aquarelle und Grafiken in Ausstellungen zeigen zu dürfen. Das kunstliebende Potsdam war im Herbst 1988 ganz „aufgeregt“, schließlich zeigte ein Maler, der zwar in Potsdam geboren wurde, doch seit über 40 Jahren in der damaligen Bundesrepublik wohnte, seine künstlerischen Arbeiten erstmals in seiner Heimatstadt – retrospektiv. Man drängte nach den Postkarten mit den Reproduktionen der Bilder und wollte unbedingt einen Katalog sein Eigen nennen.Wir, die DDR-Bürger, waren immer interessiert auf das, was aus dem Westen kam. Aber bei Siegward Sprotte war das anders. Die Potsdamer wussten, er ist einer der Ihren. Er holte sich stets Anregungen von dieser Landschaft an der Havel, von der Kunst in den Parkanlagen und Schlössern. Von den hier wirkenden Persönlichkeiten, dem Maler Karl Hagemeister, dem Dichter Hermann Kasack, dem Kunsthistoriker Ludwig Justi oder von Karl Foerster erhielt er wichtige Impulse. Sie gingen ein in sein künstlerisches Schaffen und Denken. Anlässlich der Ausstellung kam ich mit Siegward Sprotte mehrmals ins Gespräch, der Faden riss nie ab. Vorrangig hat Siegward Sprotte Landschaften gemalt und gezeichnet. Doch er bezeichnete sich nicht als Landschaftsmaler. Obwohl man in seinen frühen Bildern Topografisches und Lokalkoloristisches findet, hat er der Naturabbildung schon lange adé gesagt. Der Kunsthistoriker Herbert Meier schrieb: „Sprotte pflegt auf die Frage, wie er denn eine Woge male, zu antworten: Eine Woge könne man nicht abmalen und auch nicht aus dem Gedächtnis malen. Ja, wie denn? „Man muss sich selbst wie die Woge bewegen, dann wird es eine Woge.“ Fernöstliches Denken schlägt sich da durch, auch in seiner künstlerischen Arbeit. Siegward Sprotte philosophierte gern. Zu dem Thema „Aug in Aug“ konnte er stundenlang reden. „Wo Sehen und Hören in unserem Gesicht als die führenden Sinne nicht mehr miteinander konkurrieren, hier steht die Verlautbarung der Einsicht nicht mehr im Wege. Die menschliche Kommunikation der Sinne miteinander grüßt uns zu Beginn eines neuen Äons“, schrieb der Maler-Philosoph. Er meinte auch: „Weil die Kunst sprachlos war, weil die Kunst keine Sprache fand, konnten zwei Weltkriege stattfinden. Wo die Kunst nicht zur Sprache kommt, können wir uns bekriegen.“ Seine philosophischen Überlegungen hat Siegward Sprotte immer wieder Interessierten in Vorträgen und Büchern mitgeteilt. Nach Potsdam kam er jährlich, vor allem nach Bornstedt. Als das Haus seiner Eltern bautechnisch nicht mehr zu halten war, ließ er es abreißen. Damit war mancher Schmerz verbunden. Doch auf dem Grundstück ließ er ein neues Gebäude aus Holz bauen, bescheiden, aber zweckmäßig. Hier malte er und lud zu viel besuchten Vorträgen ein, zu den „Bornstedter Dialogen“. Auch die Siegward-Sprotte-Stiftung, die vor allem der der Nachwuchsförderung und der Veröffentlichung von Schriften des Malers dient, fand im Haus in der Katharinenholzstraße Eingang. Siegward Sprotte zog sich nicht nur ins sein Atelier zurück. Er zeigte gern seine Bilder in der Öffentlichkeit. In den neunziger Jahren gab es immer wieder Ausstellungen in Potsdam und Umgebung: im Schloss Klein-Glienicke, in der Galerie Sieglinde Dietz, im Alten Rathaus (gemeinsam mit Gemälden Karl Hagemeisters), in der Ticket-Galerie. Siegward Sprotte, immer charmant, auf seine Mitmenschen zugehend – das „Aug in Aug“ praktizierend, – redegewandt und mitfühlend, wurde anlässlich seines 90. Geburtstages Ehrenbürger Potsdams. Nach der Verleihung meinte er: „Diese Auszeichnung ist eine Anerkennung für das Vergangene und eine Ermutigung für das Kommende“. Am 7. September ist Siegward Sprotte auf Sylt verstorben. Er wird seine letzte Ruhestätte auf dem Bornstedter Friedhof finden, dort, wo auch seine Eltern zu Grabe getragen wurden. Die Trauerfeier für Siegward Sprotte findet am 14. September um 14 Uhr auf dem Bornstedter Friedhof statt.
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