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Kultur: ... was am Samstag wirklich nicht geschah

Die Frage geht an das Kabarett Obelisk: Wo bleibt die aktuelle Potsdam-Power?

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Die Frage geht an das Kabarett Obelisk: Wo bleibt die aktuelle Potsdam-Power? Zum Abschluss der Langen Nacht des Kabaretts am Sonnabend wurde Wladimir Fetins „Rette sich, wer kann“ (1961) gezeigt, einer der wenigen guten Lustspiel-Filme Made in UdSSR. Darin brachte ein Schimpanse die Ordnung eines Tigertransportes auf hoher See völlig durcheinander, indem er die Käfige der Bestien öffnete. Die Crew hatte dabei nichts zu lachen, der Zuschauer schon. Nun sei es ferne, was hohe See ist, auf ein Kabarett zu übertragen, die Mimen der Satire sind schließlich keine Affen. Aber das ästhetische Grundmuster dieses Filmes wirkt dann doch wie Kabarett, etwas hämisch gar: Des einen Leid sei des anderen listige Freud, so ist das eben. Nun gibt es Leid genug in Potsdam, wenn man an all die kleinen und großen Skandale denkt, an die derzeitigen Düsternisse um die Krankenhaus-Fusion, an all die offenen und heimlichen Possen im Rat-Haus. Schlechte Zeiten – gute Karten für das „Obelisk“, sollte man meinen. Aber ist die frecheste unter den Künsten in Potsdam wirklich mobil? Fehlte am Samstag nicht etwas? Nun will man den gestandenen 25-ern ja nicht ins Handwerk pfuschen mit seinen verwilderten Gedanken. Wer eine Diktatur überlebt, wird ja wohl mit müden Demokraten fertig werden, die sich in ihrer selbstgewählten Einheit wie das Ei dem Eie gleichen, quer durch alle Fraktionen. So man nur wollte. Potsdam ist Kabarett pur, auf jedem kultur-politischem Parkett, nur gibt es dafür keine Bühne mit Satire. Im „Obelisk“ wird monatlich bis zu 13 Mal „Heidi“ gespielt, oder die ultimative „Durchhalterevue“, Repertoire statt flinker Attacke. Wird das nicht langweilig? Man hängt sich mit Erfolg an die „großen Events“, wie den Volkspark,, und das Alltagsgeschäft in den eigenen Hallen läuft eher flau. Vielleicht hatte man am Dienstag und Mittwoch der Kabarett-Woche nur schlechte Tage erwischt, als man die vollbesetzten Reihen im Parkett an einer Hand abzählte, aber waren manche Wochentage im Jahr zuvor nicht ähnlich? Das alte Spiel von Regel und Ausnahme. Nikolaisaal und HOT müssten erblassen, wenn die Charlottenstraßler wirklich loslegen würden, natürlich ohne Obelisken-Blick, denn der versteinerte alles. Aber sie tun es nicht, sie spielen ihr Repertoire rauf und runter, komme wer da wolle. Demnächst en suite, verriet Gretel Schulze, also Programm nach Programm. Wo bleibt die aktuelle Potsdam-Power, ganz nebenbei, einmal im Monat, neben dem Repertoire? Allein die Auswertung der verordneten Stadtversammlungen gäben reichlich Stoff, nur müsste man dazu auch ästhetisch beweglicher sein. Pachl und Lüdecke haben ja vorgemacht, dass es nicht immer einstudierter Szenen braucht, man kann auch extemporieren, monologisch, dialogisch. Utopie geträumt: Die Leute würden strömen, wie in alter Zeit, wenn Frau Satire sich die Herren im Stadthaus zur Brust nähme, und wäre es Herr Koschuweit: Was, gestern hüh und heute hott? Man bittet um öffentliche Erklärung! Gute Demokraten wollen ja beim Wort genommen werden, Kabarettisten allerdings auch. Von allen Künsten allein hätten sie regulierende Macht - sollte dabei gar eine ganze Kabarett-Woche draufgehen. Den Herrn Platzeck auf dem Lausitzring nur immer wieder Motorrad fahren zu lassen, ist dürftig, man wird ja dödelig davon. Warum macht man den Käfig nicht auf, die Narren loszulassen, dass sie erkannt werden? Sollte man nicht nachfragen, kurz vor der Wahl, ob der zwanghaften Eingemeindung unwilliger Dörfer, wasserleerer Schwimmbassins und des Cargo-Desasters? Wer maulte bei der Pleite um die Maut? Rücksicht auf Berlin, welches 40% des Fördervereines stellt? Im Gegenteil, der Sumpf ist derselbe, und die Dödel dort sind nicht weniger dödelig als die peripheren, ja, diese zähe Nähe zahlte sich sogar in Zahlen aus. Theater lebt von der Dauer, Satire aber von Tag und Stunde, dort, wo es hingehört, bissig und flink: Ein lokal=politisches Kabarett könnte Potsdam wirklich bewegen, die grau-en Eminenzen der Stadt müssten wohl Farbe bekennen. Oder sind die „Obelisken“ in der neuen Freiheit doch nicht unabhängig? Gerold Paul

Gerold Paul

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