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Kultur: 700 Jahre märkische Geschichte: Wildpark-West

Marianna v. Klinski -Wetzel beschäftigte sich mit der Wiese Gallin und veröffentlichte ein umfangreiches Buch

Stand:

Kein Mensch ist in den frühen Abendstunden auf den Straßen zu sehen. Hin und wieder scheint zwar Licht hinter den Fenstern. Ja, Wildpark-West ist bewohnt. Dort, am Haus, wo wir verabredet sind, brennt eine einladende Lampe. Wir werden erwartet. Bei Marianna v. Klinski-Wetzel. Im vergangenen Jahr hat sie sich als Autorin einen Namen gemacht. Ein gut 560 Seiten umfassendes Buch, das im Eigenverlag erschienen ist, beschäftigt sich mit „Wildpark West a. d. Havel“, mit der Geschichte der Wiese Gallin. Am kommenden Mittwoch um 19 Uhr stellt sie ihre und Gerhard Mieths umfangreiche Arbeit in der Stadt-und Landesbibliothek in der Reihe „Streifzüge durch die brandenburgisch-preußische Geschichte“vor.

Vor gut fünf Jahren ist Marianna v. Klinski-Wetzel gemeinsam mit ihrem Mann, Peter R. Wetzel, aus Süddeutschland nach Wildpark-West gezogen. In dem heutigen Gemeindeteil von Geltow hat die pensionierte Lehrerin bis 1957 mit ihren Eltern gelebt. Den Vater, der unbedingt die Großstadt Berlin mit der Stille der Havel und des Waldes als Wohnort tauschen wollte, hat sie bestens verstanden. „Auch ich wollte in dieseLandschaft zurück“, bekennt Marianna v. Klinski-Wetzel. Hier in Wildpark-West traf sie ihren ehemaligen Geschichtslehrer von der Grundschule Geltow, Gerhard Mieth, wieder. Sie kamen schnell ins Gespräch. Vor allem die Geschichte ihres Heimatortes bewegte sie beide. Mieth war ein leidenschaftlicher Forscher in puncto Wildpark-West. Er sammelte Materialien, stöberte in Archiven oder notierte Ereignisse. Zwölf Aktenordner sind in fast zwanzig Jahren daraus geworden. Zum 1000-jährigen Bestehen Geltows 1993 konnte er eine Broschüre veröffentlichen. Aber Gerhard Mieth wusste, dass man aus dem Material mehr machen könnte, ein Buch. Und eines Tages sagte der Lehrer zu seiner einstigen Schülerin: „Wir machen es gemeinsam“. Der Tod verhinderte aber dieses Vorhaben. Doch vorher legte er es in die Hände von Marianna v. Klinski-Wetzel. Mieth wusste, dass sie sich sehr für Geschichte interessiert, nicht nur so zum Spaß, sondern professionell. Außerdem hatte er in Erfahrung gebracht, dass sie sich bereits intensiv mit der Genealogie ihrer Familie, derer v. Klinski, die aus Westpreußen stammt, beschäftigte und darüber auch Beiträge veröffentlichte. Genaues Quellenstudium und präzise Auswertung sind dabei gefragt. „Ich habe gelernt, Kirchenbücher zu lesen, Lehnverhältnisse, Verleihungen und Verschenkungen zu hinterfragen, Pachtverhältnisse und deren Verläufe zu beschreiben“, erzählt Marianna v. Klinski-Wetzel. All dies kam ihr bei der Erforschung der Geschichte von Wildpark-West zugute, mit der sich die Autorin seit gut vier Jahren nun leidenschaftlich beschäftigt. Natürlich gab es während des Studiums auch neue Erkenntnisse. Daher mussten so manch bisherige Aussagen korrigiert werden.

Auf den ersten Blick scheint diese Veröffentlichung von übergewichtigem Umfang zu sein. Einer einstigen Sandscholle soviel Aufmerksamkeit schenken? Doch sie spiegelt 700 Jahre märkische Geschichte wider. „Mit ihrer Lage an der Havel, der Insel Werder, dem Handelsweg zwischen Spandau und dem Kloster Lehnin war die Wiese Gallin von strategischer Bedeutung“, so die Autorin.

Ab 1317 gehörte die Wiese dem Kloster in Lehnin, 225 Jahre lang. Die Grundherren von Gelt (ow) beanspruchten sie aber ebenfalls. Nach der Reformation durfte das Fleckchen Erde, noch zum Amt Lehnin gehörend, von den Werderanern weiterhin genutzt werden. 1685 ging sie als Domäneneigentum in die Verwaltung des Amtes Potsdam ein. Marianna v. Klinski-Wetzel: „Die Geschichte der Wiese Gallin war aber auch eine Geschichte des Misserfolgs. Pächter und Erbpächter mussten sich mit der großen Feuchtigkeit auseinandersetzen. Daher war die wirtschaftliche Nutzung gerade nicht sehr ertragreich, ebenso hat es immer wieder Streitereien mit den Gutsverwaltungen gegeben“. Enge Verbindungen ging man mit den nahe gelegenen Ortschaften, Geltow, Golm, Potsdam oder Bornstedt ein, 1864 wurde der Gallin Privateigentum des Hauses Hohenzollern. „Als königlicher Wald ist die Geschichte der ehemaligen Wiese mit der des Wildparks und mit dem Krongut Bornstedt verbunden. Nach dem ersten Weltkrieg endete jedoch der Zusammenschluss des Krongutes Bornstedt-Gallin.“ 1928 erhielt die Wiese Gallin den Namen Wildpark-West. Eine Villensiedlung sollte entstehen. Die Potsdamer Architekten Otto v. Estorff und Gerhard Winkler haben der Siedlung mit ihren Bauten den Stempel aufgedrückt.

Eine besondere Überraschung hält die Autorin noch parat. Die älteste Urkunde von Potsdam und Geltow aus dem Jahre 993 hat sie sich genauer betrachtet. Und sie stellte ein fehlerhaftes Lesen und Interpretieren dieser Schenkungsurkunde in der Vergangenheit fest. Nicht Geliti hieß Geltow, sondern Geltti. „Durch die Technik des Scannens am Computer lassen sich einzelne Worte ja stark vergrößern. Diese Möglichkeit führte dazu, die Faksimileausgabe der Urkunde von 993 genau zu betrachten. Der Ort auf der Potsdamer Insel trug den Namen Geltti.“ Geltti kommt von dem Wort Gelte. Der Ort war eine Mautstelle an der Furt. Man bezahlte bei der Havel-Überfahrt mit Naturalien.

Die Siedlung hat eine interessante Geschichte mit spannenden Geschichten. Während des Besuches und beim Lesen des Buches wurde es erst so richtig deutlich. Marianna v. Klinski-Wetzel weiß sie spannungsvoll zu erzählen. Ihre Veröffentlichung wendet sich nicht nur an Fachleute, sondern an alle, die sich mit der Heimatgeschichte beschäftigen. Das Gespräch mit der Autorin über Wildpark-West war an diesem Abend intensiv und lang. Als man wieder Richtung Potsdam fuhr, gingen in den Häusern der Siedlung bereits die letzten Lichter aus. Der nächste Besuch findet am Tage statt.

Marianna v. Klinski-Wetzel/Gerhard Mieth, Wildpark-West a. d. Havel, Selbstverlag, 34,80 Euro. Buchhandlung Internationales Buch Potsdam, F.-Ebert-Straße, Potsdamer Antiquariat, Lindenstraße 10, Der Buchhandel, Werder/H., Auf dem Strengfeld 3a; Lesung am 12. März, 19 Uhr, Stadt- und Landesbibliothek.

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