
© Andreas Klaer
700 Unterschriften: Offener Brief gegen AfD-Vorsitz des Potsdamer Kulturausschusses
Die Rechtsaußenpartei soll für fünf Jahre den Vorsitz innehaben. Dagegen begehrt die Potsdamer Kulturszene jetzt auf – und stellt Forderungen an die Stadtverordneten.
Stand:
Rund 700 Unterzeichnende haben sich in Form eines offenen Briefes gegen den AfD-Vorsitz des Potsdamer Kulturausschusses positioniert. Das von Kultur- und Soziokulturinstitutionen, erinnerungspolitischen Initiativen und einzelnen Akteuren verfasste Schreiben adressiert die Stadtverordneten „aller demokratischen Parteien“. „Die Entscheidung, den Vorsitz des Kulturausschusses einer rechtsextremen Partei zu überlassen, sorgt für großes Entsetzen in unseren Reihen“, heißt es dort. „Wie können demokratische Parteien zulassen, dass eine Partei mit völkischen und menschenverachtenden Positionen einen solch bedeutenden Posten besetzt?“
Im Rahmen der ersten Stadtverordnetenversammlung nach den Kommunalwahlen Anfang Juni hatte die Rechts-Außen-Fraktion AfD für eine Dauer von fünf Jahren den Vorsitz des Kulturausschusses erhalten. Zuvor hatten die anderen Parteien anderen Ausschüssen den Vorrang gegeben: Die SPD griff nach dem Gremium für Bildung und Sport, die CDU Bauen und Stadtentwicklung, die Grünen Klima und Verkehr. Danach konnte sich die AfD als viertstärkste Kraft den Vorsitz für den Kulturausschuss sichern.
„Bedrohung der Grundwerte unserer Stadt“
Der Bereich Kultur sei „ein zentraler Pfeiler einer offenen und vielfältigen Stadtgesellschaft“ heißt es in dem Brief. „Gerade hier versuchen Populist:innen, Themen für sich zu instrumentalisieren, ihre rückwärtsgewandten Ideologien zu verbreiten und jene Institutionen zu untergraben, die ihnen im Wege stehen.“ Der Vorsitz des Ausschusses stelle daher nicht nur eine Bedrohung für die kulturelle Vielfalt dar, „sondern auch für die Grundwerte unserer Stadt“.
Zu den Unterzeichnenden gehören 477 Kultur- und Soziokulturinstitutionen, erinnerungspolitische Initiativen und Kulturschaffende sowie 220 Unterstützerinnen und Unterstützer. Mit dabei sind fast alle der wesentlichen Player aus Potsdams Kulturszene: Freiland, Lindenpark und Waschhaus, HOT-Intendantin Bettina Jahnke, die Leitung der Fabrik Potsdam, Nikolaisaal-Geschäftsführerin Heike Bohmann, BKG-Geschäftsführerin Katja Melzer und die Kammerakademie Potsdam. Ebenfalls dabei sind ZZF-Direktor Frank Bösch, Susan Neiman, Direktorin des Einstein Forums, und Miriam Rürup, Direktorin des Moses-Mendelssohn Zentrums.
Es sind kreative und kooperative Mittel gefragt, um die Integrität des Kulturausschusses und die Vielfalt unserer Kulturlandschaft zu schützen.
Forderung aus dem offenen Brief von Kulturakteuren gegen den Vorsitz der AfD im Kulturausschuss
Die Unterzeichnenden formulieren die Erwartung an die Stadtverordneten, „dass sie sich dieser Verantwortung bewusst sind und Wege finden, diesen schwerwiegenden Fehler zu korrigieren“. Es seien kreative und kooperative Mittel gefragt, „um die Integrität des Kulturausschusses und die Vielfalt unserer Kulturlandschaft zu schützen“.
„Ihr steht nicht allein da“
Eine „klare und gemeinsame Kante gegen Rechts“ sei notwendig, vor allem angesichts absehbarer Millionenlöcher im Potsdamer Haushalt. „In diesem Sinne erwarten wir, dass schon mit Beginn der neuen Stadtverordnetenversammlung klare Beschlüsse zur nachhaltigen Sicherung, Ausstattung und Weiterentwicklung der Kultur getroffen werden“, so der Brief. Zu verhindern sei, „dass dieser Bereich zwischen kommunalen Pflichtaufgaben und rechtsextremer Abschaffungsfantasie zerrieben wird“.
Initiiert haben den Brief das Netzwerk KulturMachtPotsdam und das Freiland Potsdam. „Innerhalb von zwei Tagen sind die 700 Unterschriften zusammengekommen“, sagt Freiland-Geschäftsführer Achim Trautvetter. „Tendenz steigend.“ Dass es den Fraktionen der demokratischen Parteien nicht gelungen sei, den AfD-Vorsitz gerade im Kulturausschuss zu verhindern, bezeichnet Trautvetter als Riesenversäumnis.
Eine erste Reaktion auf die Initiative kam von Chaled-Uwe Said, dem Vorsitzenden der AfD-Stadtfraktion. Es sei bedauerlich, dass Teile der Potsdamer Kulturlandschaft sich noch vor der ersten Sitzung des Ausschusses „in ideologisch vorauseilendem Gehorsam für den Landtagswahlkampf benutzen“ lassen, so Said. Die AfD verteidigte er „als demokratisch verfasste, rechtsstaatsorientierte Partei“.
Der Vorsitz habe vor allem Symbolcharakter, sagt Achim Trautvetter. Niemand befürchte, dass die AfD im Kulturausschuss Orte wie das Freiland einfach „absägen“ könne – aber der Ausschuss sei ein Podium, und das, sagt Trautvetter, „weiß die AfD mit Sicherheit zu nutzen“. Die Initiative zum offenen Brief begründe er so: „Wir wollen allen, die sich jetzt Sorgen machen, zeigen: Ihr steht nicht allein da.“
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