Kultur: Abgründige Tiefen und himmlische Freuden
Der südafrikanische Pianist Kristian Bezuidenhout ist Artist in Residence der Kammerakademie Potsdam
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Wie klang es, als die Komponisten – beispielsweise im 18. und im frühen 19. Jahrhundert – ihre Werke am Klavier zusammensetzten? Ja, das möchte man manchmal gern wissen. Vor allem, wie sie diese Musik interpretierten. Die Themen dazu erfanden sie ganz unterschiedlich, mal nebenbei oder direkt am Instrument. Aber wie schnell spielten sie ihre eigenen Stücke überhaupt, wie frei war ihr Tempo, wie setzten sie die Klavierpedale ein und wie extrem war die Dynamik?
All diese Fragen beschäftigen heute neben Musikwissenschaftlern auch „historisch informierte“ Musiker wie den südafrikanischen Pianisten Kristian Bezuidenhout. Er hat sich dem Musizieren auf dem Hammerflügel verschrieben. Natürlich schätzt er auch einen Steinway, aber Mozart darauf zu spielen Da macht der Musiker ein großes Fragezeichen. In einem Gespräch äußerte er sich so: „Wenn du da im Bass einen vierstimmigen Akkord spielst und nicht eine Stimme heraushebst, klingt es wie dreckiges Spülwasser.“
Das Instrument der Mozart- und Beethoven-Zeit hat für ihn eine ganz andere Klangqualität als die modernen Konzertflügel. „Die Töne haben ihre eigene Stimme, die Farben werden weniger vermischt. Das fördert die Transparenz“, sagt Bezuidenhout. Das Hammerklavier besitzt einen Holzrahmen, was zu einer geringeren Saitenspannung führt. Die mit Leder bezogenen Hämmer sind kleiner als die der heutigen Konzertflügel. Das erzeugt einen leiseren, aber sehr pointierten Anschlag. Die Töne haben ein reicheres Obertonspektrum, verklingen jedoch schneller.
Es war von vornherein klar, dass der Pianist bei seinem Konzert mit der Kammerakademie Potsdam am kommenden Samstag auf den Klavieren des Nikolaisaals, die zwar von bester Qualität sind, nicht spielen wird. Für das Konzert wurde stattdessen ein Instrument aus dem niederländischen Enschede extra nach Potsdam gebracht: Es handelt sich um die 1989 gefertigte Kopie eines Hammerflügels aus dem Jahre 1825, das in der Werkstatt des von Beethoven, Chopin oder Clara Schumann sehr geschätzten deutsch-österreichischen Klavierbauers Conrad Graf entstand.
Die Graf-Kopie wählte Bezuidenhout für das Konzert im Nikolaisaal deswegen aus, weil sie nach seiner Ansicht die richtige Klangbalance zwischen einem Orchester, das auf modernen Instrumenten spielt, und dem relativ großen Saal des Potsdamer Konzerthauses hält.
Der Hammerflügel gibt dem Pianisten wunderbare Möglichkeiten, sich dem Klavierwerk Mozarts zuzuwenden. Seine CD-Einspielungen von Sonaten des Klassikers sprühen nur so vor Fantasie. Sie klingen jedenfalls nicht nach Porzellanpuppe oder auch nicht nach Punk, wie man es beispielsweise in Milo Formans „Amadeus“-Film vernimmt. Plötzlich steht da alles vor einem: abgründige Tiefen, unheimliche Begegnungen und himmlische Freuden. Was natürlich auch an dem Instrument liegt, dem Hammerflügel.
Mit der Kammerakademie Potsdam, die unter der Leitung des Chefdirigenten Antonello Manacorda spielt, bringt der Südafrikaner Mozarts Klavierkonzert Nr. 17 in G-Dur KV 453 zu Gehör. Weiterhin stehen Felix Mendelssohn Bartholdys Melusinen-Ouvertüre, die Sinfonie Nr. 4, die „Italienische“, sowie das Orchesterstück „Nature Morte – Still Alive“ von Wolfgang Rihm auf dem Programm. Wolfgang Amadeus Mozart widmete das 1784 in Wien entstandene Werk seiner begabten Klavierschülerin Barbara Ployer. Sie war von der Widmung des Meisters sehr angetan, doch auch Mozarts Kanarienvogel erfreute sich am überbordenden Melodiereichtum des Konzerts. So soll der Vogel gern das Rondothema des abschließenden Allegretto-Variationssatzes mitgepfiffen haben, wie es die Legende will.
Bezuidenhout ist nicht nur für ein Konzert in Potsdam: Die Kammerakademie hat den weltweit gefeierten Pianisten eingeladen, in dieser Saison als Artist in Residence zu fungieren: In drei spannenden Konstellationen wird er zu hören sein. In der Friedenskirche Sanssouci wird er am 10. April mit dem Orchester Cembalokonzerte von Johann Sebastian und Carl Philipp Bach interpretieren und am 6. Mai Kammermusik von Mozart und Beethoven im Foyer des Nikolaisaals. Mit dabei sind dann auch Mitglieder der Kammerakademie. Klaus Büstrin
3. Sinfoniekonzert am Samstag, 14. November, um 19.30 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10-11.
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