zum Hauptinhalt

Von Dirk Becker: Abschied und Aufbruch

Das Quartett Quatuor Mosaiques gastierte bei den Musikfestspielen im Schloss Babelsberg

Stand:

Diese Leichtigkeit verblüfft. Immer wieder. Was das aus Österreich kommende Quartett Quatuor Mosaiques am Samstag im ausverkauften Tanzsaal des Schlosses Babelsberg im wahrsten Sinne des Wortes vorführte, war musikalische Eleganz und Wahnwitz, nuancierte Tonfärbung und pointierte Detailverliebtheit, aufbrausende Kraftmeierei und federleichte Schmeichelei.

Ob nun in Joseph Haydns berühmten „Kaiserquartett“ oder Ludwig van Beethovens Streichquartett e-moll, Nr. 2 op. 59 – Erich Höbarth scheint mit schwebendem Bogen zu spielen. Und Andrea Bischof, zweite Violine, Anita Mitterer, Viola, sowie Christophe Coin am Violoncello haben sich von dieser Leichtigkeit anstecken lassen.

Im Konzert zu den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci ließen sie Haydn auf Beethoven treffen. „Späte Hymne, früher Zorn“, versprach das Programm. Zwei musikalische Welten, die hier zu Wort kamen. Der eine blickt zurück, der andere herausfordernd nach vorn. Neben dem „Kaiserquartett“, das Joseph Haydn dem von ihm so hoch verehrten Kaiser Franz II. widmete und deren Melodie später zur bundesdeutschen Staatshymne wurde, spielten Quatuor Mosaiques auch das Streichquartett d-moll, op. 103. Es war das letzte von insgesamt 69 Streichquartetten, die Haydn, der eigentliche Begründer dieses Genres, schrieb. Zwei Sätze nur, in d-moll, der traditionellen Requiemtonart. Ein Rückblick und Abschied in feinsten, melodischen Gesten, von den Musikern mit einem sehnsuchtsvollen, leicht tragischen Ton gespielt, in dem aber immer auch ein hoffnungsvolles Lächeln aufzuleuchten schien.

Seit 22 Jahren spielen die drei Österreicher und der Franzose Stephane Coin im Quartett Quatuor Mosaiques zusammen. Ihr Ensemble zählt seit Jahren schon zu einem der renommiertesten. Wie in einem Mosaik fügt sich hier jedes Instrument perfekt an das andere. Blickkontakt bedarf es bei diesen Musikern kaum noch, ihr Zusammenspiel harmoniert wie eine Selbstverständlichkeit, wie ein gemeinsames Atmen aus den Tönen heraus. War dies bei Haydn schon ein spannungsvolles Hörerlebnis, galt das für Beethovens Quartett umso mehr.

Haydn begann 1803 mit den Arbeiten an seinem letzten Streichquartett. Im selben Jahr vollendete Beethoven seine Eroica. Drei Jahre danach komponierte er die drei Quartette, die er unter der Opuszahl 59 zusammenfasste. Spätestens hier wurde der sinfonische Anspruch Beethovens deutlich, den er auch an diese Form der Kammermusik stellte. Der Hörer war nicht mehr länger nur stiller Teilnehmer am „Gespräch“ der vier Streichinstrumente. Jetzt wurde er direkt angesprochen, doch, wie für Beethoven typisch, nicht in umschmeichelnder, sondern herausfordernder Form.

Schon der zerklüftete Auftakt im Allegro in Beethovens Streichquartett e-moll, Nr. 2 op. 59 sorgt mit seinem Hin und Her von Akkordanschlägen und melodischen Andeutungen für Unsicherheit. Auf zornige Unruhe folgt süße Harmonie, doch bleibt das nur Fragment. Das Quartett Quatuor Mosaiques hier ausdrucksstark und pointiert. Der zweite Satz dann wieder von einer Leichtigkeit und Ergriffenheit, die Beethovens Notiz „Si tratta questo pezzo con molto di sentimento“ (Man behandle dieses Stück mit sehr viel Gefühl) vor allem in Erich Höbarths schwebendem und vollmundigem Violinenton eine wunderbare Entsprechung fand.

Beethoven klang mit dem Quartett Quatuor Mosaiques nicht, wie so oft, schwer oder unverständlich. Dieses Mosaik in e-moll setzte sich im Spiel der vier Musiker Stück für Stück zusammen. Das Unentschlossene und Unruhige, Zornige und Zweifelnde fand im vierten Satz, im Wechsel zu C-Dur seine freudige Auflösung. Eine Auflösung, die selbst Erich Höbarth spielend vom Stuhl zu reißen schien. Das Publikum bedankte sich mit lang anhaltendem Applaus und Bravo-Rufen. Dirk Becker

„Haydn in der Natur“ heißt es am Mittwoch um 19 Uhr bei den Musikfestspielen. Am Belvedere auf dem Klausberg liest Klaus Büstrin aus dem Libretto zu Haydns Oratorien „Die Schöpfung“ und „Die Jahreszeiten“. Dazu erklingt Musik für Alphorn solo mit Andreas Böhlke

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })