Kultur: Abschied von Amerika
Wim Wenders war zu Gast im Filmmuseum und erzählte von Edward Hopper und ungedrehten Filmen
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Man kann Knut Elstermann nun wirklich nicht nachsagen, dass er auf den Mund gefallen ist. Ebenso wenig lässt sich behaupten, er verstünde nichts vom Kino. Es hat also schon Seltenheitswert, wenn der „Radio1“-Moderator in einer Gesprächsrunde fast eine halbe Stunde lang einfach nur dasitzt und andächtig lauscht. Doch am Freitagabend waren die Rollen klar verteilt: Elstermann war nur der Conferencier. Dem „Kino-König“ saß mit Wim Wenders jemand gegenüber, der für Filme wie „Himmel über Berlin“ oder „Paris, Texas“ von der Kinogeschichte selbst geadelt wurde. Und der viel zu erzählen hatte.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Bereits als Wenders mit Gattin Donata unter Blitzlichtgewitter über die Treppe zum Filmmuseumsfoyer schwebte, war die Aura des Unantastbaren zerplatzt, nachdem ein eifriger Fotograf das Paar bat, doch bitte mal für einen Augenblick stehen zu bleiben. Den Umstehenden stockte nur kurz der Atem, denn das Ehepaar Wenders, selbst oft genug hinter der Kamera tätig, posierte gern.
Dann also sprach Wim Wenders. Etwa davon, wie er in Montana auf das trostlose Butte, Schauplatz seines neuesten Films „Don“t Come Knocking“ gestoßen war. Stets nachdenklich, doch mit trockenem Humor unterlegt, berichtete er von Buttes einzigem Prominentem, der durch einen abgesagten Sprung mit dem Motorrad über den Grand Canyon zu zweifelhafter Bekanntheit gelangte. Und davon, wie er fünfundzwanzig Jahre gezittert hatte, dass bloß keiner vor ihm in der Stadt einen Film dreht. Zuletzt hatte er gebangt, als er den Film um ein Jahr verschieben musste. Da sei er ohnehin „wie ein angeschossener Bär“ herumgehangen.
Ja, Wim Wenders erzählt immer noch gern in Bildern. Und mit Bildern. Er habe, so Wenders, deshalb die Ästhetik Edward Hoppers für die Geschichte seines Films vereinnahmt. Mittels Polfilter ließ sein Kameramann Franz Lustig die Fensterscheiben verschwinden, damit der Blick in oder aus einem Raum wie auf Hoppers Bildern frei von Reflexionen bleibt.
Auch wenn Wim Wenders inzwischen den Geschichten seiner Filme mehr Bedeutung eingesteht als früher, sind es bei „Don“t Come Knocking“ wiederum die für seine Filme typischen, umwerfenden Bilder, die über ein streckenweise schwächelndes Drehbuch hinwegtrösten. Dieses erzählt, wie der alternde Westernmime Howard Spence (Sam Shepard) versucht, endlich erwachsen zu werden und auf löchrigen Socken auf die Suche nach seiner Familie geht. Für ihn ist es zu spät. Nicht aber für seine Kinder. Sie verlassen am Ende das Kaff Butte, Howard muss zurück an das Set eines drittklassigen Western.
Anders als zuvor in „Land of Plenty“ wirft Wenders in „Don“t Come Knocking“ keinen kritischen Blick auf Amerika. Mithin wird der Film zu einem wehmütigen Abschiedsgeschenk für seine Wahlheimat, wo er inzwischen politisch motiviert seine Zelte abbrach. Dies ließ ihn schwermütig an die vielen Filme denken, die er nicht drehen konnte. Es könne aber auch nicht angehen, so Wenders, dass er die Rocky Mountains sehr wohl, das Erzgebirge aber überhaupt nicht kenne. Nun, so sein Versprechen, möchte er wieder Filme in Deutschland machen – und hier nach Drehorten suchen.
Nachdem Wim Wenders stundenlang im Filmmuseum Exemplare des prächtigen Bildbands zu „Don“t Come Knocking“ signiert und angeregte Gespräche geführt hatte, ließ er es sich nicht nehmen, noch einmal vor das Publikum zu treten, bevor sein Film gezeigt wurde. Er gab zum Besten, wie es ihm gelungen war, Sam Shepard nach zwei vergeblichen Versuchen für eine Hauptrolle zu gewinnen. Als sie gemeinsam am Drehbuch arbeiteten, habe er angemerkt, dass er es bald an Jack Nicholson schicken wolle. Wie ein Cowboy habe Shepard erst gar nichts gesagt, dann aber wütend das Papier aus der Schreibmaschine gerissen und gepoltert: „Der kann ja nicht mal reiten“.
Moritz Reininghaus
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