Kultur: Absprungrampe zu tänzerischer Bewegung
Tannhäuser macht die Runde. Richard Wagners Musikdrama wird zunehmend für die Orgel entdeckt, in Ausschnitten.
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Tannhäuser macht die Runde. Richard Wagners Musikdrama wird zunehmend für die Orgel entdeckt, in Ausschnitten. Am Mittwoch spielte der Saalfelder Kirchenmusiker Dietrich Modersohn während des Internationalen Orgelsommers an der Schuke-Orgel der Erlöserkirche das Gebet der Elisabeth, in der vergangenen Woche gab Matthias Jacob den Pilgerchor zu Gehör. Beide Piecen sind mit ihrer Bitte um Sündenvergebung und Erlösung „kirchentauglich“. Tauchte Liszts Bearbeitung des Pilgerchors in die tiefe Romantik Wagners ein, so ist das Elisabeth-Gebet in der Fassung von Sigfrid Karg-Elert zwar noch von der Musik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfüllt, doch das 20. Jahrhundert mit seinen Grenzen spätromantischer Tonalität klingt schon hin und wieder an. Dietrich Modersohn versuchte dem Stück auf der im Geiste des Neubarock erbauten Schuke-Orgel neben der Farbigkeit eine gewisse Herbheit zu verleihen.
Ein Konzert voller Kontraste war auch diesmal beim Orgelsommer zu vernehmen, inhaltlich und gestalterisch. Von den 66 Choralvorspielen Sigfrid Karg-Elerts standen zwei auf dem Programm: „Allein Gott in der Höh‘“ und „Alles ist an Gottes Segen“. Sie wurden von Modersohn entsprechend ihren Charakteren musiziert: festlich bzw. nachdenklich. Von Johann Sebastian Bach wählte der Organist ebenfalls zwei Choräle: „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 645) und „Erbarm dich mein, o Herre Gott“ (BWV 721). Der in Klassik-Hitparaden immer wieder gern gewünschte Halleluja-Bearbeitung „Wachet auf“ klang bei Dietrich Modersohn jedoch fast wie ein preußischer Grenadiermarsch. Man hatte den Eindruck, der Saalfelder wollte allen seelenvollen Interpretationen eine Absage erteilen. Da kam kein Wohlgefallen auf, sondern nur Verwundern. Beim „Erbarm dich“-Lied ließ er dagegen die Stimmungen der Orgel feinsinnig in Szene setzen.
Bachs Werk leuchtete aber insgesamt unter den Händen und Füßen Modersohns gut auf. Die Präludien und Fugen a-Moll (BWV 543) und D-Dur (BWV 532) mit ihren leidenschaftlichen Klangsprachen wurden schön artikuliert und offenbarten silbrige Frische. Beim BWV 532 fiel besonders auf, wie der Organist die über aufsteigende Skalen erreichten Klangblöcke gleichsam als Absprungrampe zu tänzerischer Bewegung nutzte. Ein weiterer Barockkomponist stand auf dem Programm, aber eher ein Kleinmeister: der aus dem Vogtland gebürtige Johann Kaspar Kerll. Die von Modersohn gespielten Toccata V und Canzone III zeigten, dass der in München als Hofkapellmeister angestellte Musiker sich ganz der italienischen Tradition verpflichtet fühlte.
Der diesjährige Jubilar Felix Mendelssohn Bartholdy hatte ebenfalls in diesem Konzert seinen Platz, mit Praeludium und Fuge e-Moll op. 35, ursprünglich für Klavier komponiert. Der Komponist und Orgeldozent Christoph Bossert hat davon eine Orgeltranskription voller Transparenz und Farbigkeit geschaffen. Dietrich Modersohn machte ihre formalen Strukturen wunderbar deutlich und kostete die vielfältigen Registrier-Möglichkeiten des Schuke-Instruments aus.
Der Gast aus Saalfeld wurde abschließend mit dem herzlichen Beifall des Publikums bedacht. Klaus Büstrin
Am Mittwoch, 2. September, spielen der Organist Henri Ormieres und der Schlagzeuger Daniel Tummes um 19.30 Uhr in der Friedenskirche unter anderem Werke von Couperin, Vierne und Boely
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