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Kultur: Absurdes mit Akribie

Lesung mit Limericks und Fabeln im „11-Line“

Stand:

„Limericks versuchen mit viel Ironie / Kurioses und Absurdes mit Akribie / in Reime zu bringen / was vor allen Dingen / der Pointe gereicht zur Perfidie.“ Ein schöner Kunstgriff, mit dem hier der Potsdamer Autor Manfred Friedrich Kolb einen Limerick bastelt, der sich exemplarisch selbst beschreibt und auf dem Handzettel wie eine Überschrift steht. Doch nicht nur Freunde dieser alten, nach der gleichnamigen irischen Stadt benannten Reimform kamen am Freitagabend im Café „11-Line“ reichlich auf ihre Kosten. Große Gegenliebe fanden auch die vielen witzig lakonischen Fabeln, verfasst und mit vergnügten Blicken vorgetragen von Peter beim Graben, dem Vorsitzenden des Literaturkollegiums Brandenburg.

Wenngleich diese beiden sich formal ergänzenden und in ihrer klugen humorigen Kurzweil vereinenden Textgattungen die Lesung bestimmen, ist der Abend doch ebenso sehr auch dem Gedenken des vor gut einem Monat verstorbenen Schriftstellers und Vereinsmitgliedes Walter Flegel gewidmet. Kolb ist es, der eingangs einige unveröffentlichte Gedichte Flegels aus dessen Nachlass zusammen mit seinen eigenen vorträgt und sich noch öfter an seinen Freund erinnert, an die gemeinsamen Projekte, die er auch nicht aus den Augen verlieren will. Eine gefasste Besinnlichkeit, die der Veranstaltung aber keinesfalls schadet, was schon die Stimmung der Gäste zeigt, als diese bald von Füchsen, Löwen und Eseln, von klassischen Fabeltieren also hören, aber auch von Bären, die den Bienen den Honig klauen und statt „blühender Landschaften“ große Haufen hinterlassen.

Ungewöhnlich und besonders reizvoll sind auch beim Grabens „Hundefabeln“, die der zuvor lange in Potsdam und derzeit in Berlin lebende Physiker und Linguistikforscher bereits 2006 veröffentlicht hat. Stehen hier auch oft etwas plakativ allein die Kampfhunde in Opposition zu den vielen anderen „guten“ Hunderassen, so zeichnen sich diese modernen Fabeln doch allesamt durch ihre enorm knappen Formulierungen aus, mit der treffsicher die typischen Schwächen der heutigen politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit widergespiegelt werden.

Nicht schlechter versteht es Manfred Friedrich Kolb mit seinen Limericks das Publikum zu unterhalten. Es klingt leichter als es ist, diese fünfzeiligen Verse innerhalb eines festgelegten Reimschemas so stimmig zu konstruieren, dass sich die meist scherzhafte überraschende Pointe erst in der letzten Zeile entlädt. Genau das aber beherrscht der Potsdamer Sprachkünstler und hat dann auch durchweg alle Lacher auf seiner Seite. Und es ist vor allem die lockere und zunehmend betonungssichere Vortragsweise, die Kolb als einen Routinier dieses Gedichts auszeichnet. Doch auch die gelegentlichen inhaltlichen Wechsel und Variationen ins nachdenklich Ernsthafte oder Zeitgenössische so wie manche Abweichungen, die bis hin zu mehrstrophigen Limericks reichen, zeigen seine Meisterschaft und machen das Zuhören zur großen Freude. Nicht zuletzt auch dank seines regelmäßig aufleuchtenden Selbstspotts: „Ein Dichter las einmal am Stück / nur Limerick für Limerick / Das Zuhörproblem / löste man bequem / Mit einem Strick um sein Genick“. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis endlich auch ein Band mit seinen Limericks erscheine, sagt Kolb, der bisher hauptsächlich Lyrik veröffentlicht hat. Allein die Auswahl falle ihm ungemein schwer, was angesichts von inzwischen bald 9000 geschriebenen Limericks verständlich wird.

Erst als etwas plötzlich, nach gut einer Stunde die erste gemeinsame Lesung von Peter beim Graben und Manfred Friedrich Kolb ihr Ende findet, ohne dass inmitten dieses munteren Schlagabtausches von Fabeln und Limericks auch einmal Atem geholt werden konnte, wird der vielleicht einzige Schwachpunkt einer ansonsten sehr gelungenen Veranstaltung offenbar. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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