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Kultur: „All-English“ für Eliten

Kurt Gawlitta sprach in der „arche“ über die Flut von Anglizismen in der deutschen Sprache

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Deutsche Sprache – schöne Sprache! Aber es scheint, als würde sie von allen Seiten bedroht. Von innen höhlt sie die Verwurstelung per „Rechtschreibreform“ aus, von außen die zunehmende Flut diffusester Anglizismen. Ausdrücklich eines Sinnes mit der „arche“, nahm sich Kurt Gawlitta dieses wichtigen Themas an.

Er arbeitet bei der Berliner Senatsverwaltung im Fach Jugend, Bildung und Sport und vertritt die „Berlin-Potsdamer Regionalgruppe des Vereins Deutsche Sprache“. Seinen lebhaften Vortrag zu Sprache und Globalisierung kleidete er in rhetorische Fragen, die zum einen Bestandsaufnahme waren, andererseits nach Wegen zur Einflussnahme suchten, denn es ist sonnenklar: Die Anglizismen haben längst alle Lebensbereiche der Gesellschaft durchdrungen. Auf dem Arbeitsmarkt werden „Business Analyst Sales“ gesucht, im Krankenhaus soll man sich neuerdings an „Stroke Units“ orientieren, „Girls emotions“ geistern sportiv durch den Alltag. Die „lebensnah orientierte“ Jugend hat damit gar kein Problem, auch das Volk nimmt jede Veränderung an, so oder so. „Ich werde gekündigt“ oder „Das macht Sinn“ sind längst verinnerlicht. Gawlitta nannte diese anglikane Überfremdung – ganz Einbahnstraße gen West – mit etwas Humor sogar „BSE-Effekt“ – Bad Simple English! Aber selbst wenn Werbung, Medien und die große Wirtschaft sich dieser Ausdrücke bedienten, sei das nicht entscheidend. Man müsse vielmehr dort suchen, wo dieses Kauderwelsch im Namen der Globalisierung „gemacht“ – und als unabwendbar verteidigt wird. Das sei die Politik.

Während Frankreichs Landessprache „im öffentlichen Raum“ sogar gesetzlich geschützt wird, ohne jemanden den Gebrauch englischer Wörter zu verbieten, arbeitet man in Deutschland nach dem Prinzip „Wer die Sprache bestimmt, hat auch die Macht“ bewusst am Gegenteil. So äußerte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger kürzlich, dass Englisch hierzulande sehr bald „Arbeitssprache“ werde, während das Deutsche für Familie und Freizeit reserviert bleibe. Das müsste nach den Überlegungen des Referenten verheerende Folgen haben. Einerseits könnte unsere Identitäts- und kulturstiftende Muttersprache irgendwann auf den Zustand eines „Welt-Dialekts“ zurückgeworfen werden, andererseits sprächen Elite und Volk dann mit verschiedenen Zungen. „All-English“ versus Deutsch! Da nun letzteres für „den freien Fluss des Kapitals disponibel“ geworden, das ökonomische Prinzip „Wer unsere Sprache gebraucht, der kauft auch unsere Waren“, im globalen Sinne durchgesetzt ist, müsse man dort wirksam werden, „wo Einfluss ausgeübt“, wo solche „Sprachpolitik“ gemacht wird: Bei den Eliten eben, wozu auch die Wissenschaft gehört. Dort wird keiner etwas, wenn er seine Erst-Publikation nicht „verenglischt“.

Allerdings setzt sich der Verein mit Partnern Europas, welche ihre Heimatsprache verteidigen, mehr für die Spreche als für die reformierte Schreibe ein. Weil man dabei aber oftmals glatt einen Vogel gezeigt bekam, wählt man kleine und sanfte Schritte, wozu in der „arche“ auch eine Unterschriftensammlung an die Bundesregierung gehörte. Gerold Paul

Heute Vortrag, 19.30 Uhr in der „Arche“, Am Bassin 2: Gottes Reich und der der Reichtum

Gerold Paul

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