Von Lore Bardens: Alle Kunst verhängt
Bewegter Auftakt zur Ausstellung der Abschlussarbeiten Studiengang Kunst im Alten Rathaus
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Es sei für sie sehr bewegend gewesen, zu sehen, welche Wirkung Kunst haben könne, sagte die Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, Birgit-Katharine Seemann: Zur Eröffnung gab es im Alten Rathaus nämlich zunächst nichts von den Abschlussarbeiten der Studierenden des gefährdeten Lehramtsstudiengangs Kunst zu sehen, sondern eine durch künstlerische Mittel provozierte Verweigerung der Erkenntnis: Alle Kunst war verhängt. So war ihr deutlich geworden, dass Kunst als gestaltende Kraft auch zu Protestzwecken eingesetzt werden könne. Seemann bedauert sehr, dass der Studiengang nun nach dem 5:5-Patt im Fakultätsrat der Humanwissenschaftlichen Fakultät, was einer Niederlage gleichkommt, auch noch vom Senat endgültig verabschiedet werden soll. Dieser Studiengang habe in die Stadt hineingewirkt, sagte Seemann, sie selbst hat ein Seminar über das „Museum als ästhetischen Lernort“ gehalten und mit den Studierenden neue Zugänge für Kinder und Jugendliche zu den Ausstellungsinhalten entwickelt. Das „In-die-Stadt-Wirken“ des Studiengangs „war toll“, sagt sie am Donnerstagabend und es wäre eine große Lücke, wenn er nun tatsächlich nicht mehr in Potsdam angeboten werden würde.
Noch besteht aber ein Fünkchen Hoffnung, so auch für die scheidende Professorin Meike Aissen-Crewett, die eine sehr schöne, kämpferische Rede hielt. Die Kunst wirke integrierend in die anderen Fächer hinein, betonte sie, so zur Biologie, dem Sport, zur Sprache, zur Mathematik. Aber auch zu den ortsansässigen Institutionen wie zur Stiftung Schlösser und Gärten, zum Nikolaisaal und den Museen habe es Kontakte gegeben, die nicht nur für die Studierenden wertvoll waren. Sie zitierte den Philosophen Odo Marquard mit seiner berühmten These, dass, je technisierter die Welt werde, die ästhetische Erziehung um so notwendiger sei und mahnte, dass die Entscheider sich die Sache doch noch einmal gut überlegen sollten. In alle Bereiche sei die Kreativität inzwischen gedrungen, nur nicht in den der Pädagogik.
Dass die Universität Potsdam damit gegen ihr eigenes Gründungscredo verstößt, scheint die neuen Führungskräfte wohl wenig zu stören, haben sie doch Professorenstellen, die sie universitätsintern frei besetzen können. Stefan Neumann, der Fachschaftsvertreter der Kunststudenten, hat auf der offiziellen Zahlenbasis des Ministeriums hochgerechnet, dass das Land Brandenburg bis zum Jahr 2016/17 etwa 50 bis 60 neue Kunsterzieher benötigen wird. Dass Brandenburg somit das einzige Bundesland ohne kunstpädagogische Ausbildung wird, ist aber den Landesdamen und -herren vielleicht ebenso wenig wichtig wie die Tatsache, dass Brandenburg auch das einzige Bundesland ohne eigene Kunsthalle ist.
Die Protestkundgebung im Alten Rathaus wurde von einem Leichenschmaus flankiert. Auf der Todesanzeige prangte der Spruch „Nach langem und schwerem Kampf gegen Stumpfsinn und Sturheit ging sie von uns: Die Kunst“, und im Trauergemach herrschte am Tisch mit der schwarzen Decke, wie üblich, recht ausgelassene Stimmung. Und sie lebt doch, hätte man angesichts der Kunst ausrufen können, die endlich enthüllt wurde und die Besucher fragen ließ: Das werden wir nicht mehr sehen dürfen? Die Studierenden stellten sich in drei Disziplinen vor: Jirka Metzner beweist mit seiner Installation „Samenbank“ die Nähe zur Biologie (und ihre kritische Betrachtung); Ulrike C. Otto ist mit ihren fantasiereichen Skulpturen aus gebranntem Zucker in die Lebensmitteltechnik gegangen; mit ihrer spinnenartigen Installation aus schwarzer Strumpfhose „Durchweg“ belebt sie den Bereich zwischenmenschlicher Kommunikation mit neuen Durchblicken und stellt implizit die Frage, wann der Stoff reißt – hintergründig, imaginativ, wie die meisten der ausgestellten Arbeiten. Malerei ist natürlich ebenso dabei, auch da glänzt Ulrike Otto mit äußerst lebendigen Bildern. Diese beiden seien stellvertretend für alle Absolventen genannt und die Ausstellung all jenen anempfohlen, die sich auch in kunstfernen Zeiten dem ästhetischen Spiel widmen möchten.
Bis 29. März, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr.
Lore Bardens
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