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Die Küche: Lieblingsplatz von Tatjana Meissner und Katze Chica.

© Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Alles. Außer Sex!

Tatjana Meissner schreibt ihr zweites Buch und lädt Promis im Theaterschiff zum „Nachschlag“

Stand:

Diese Frau ist ihr eigener „Nacktscanner“. Für ihr Buch „finde-mich-sofort-de“ brach Tatjana Meissner gnadenlos Tabus. Sie lüftete ihre Bettdecke, unter die sie sich nichts sehnlicher wünschte, als den Mann ihrer Träume. „Ich will nicht allein bleiben, Mama“, rief sie verzweifelt aus und mischte online die Männerwelt auf. Das Ergebnis dieser zumeist frustrierenden „Fleischbeschauung“ kann sich am Ende sehen lassen. Schließlich ging ihr Jörg, alias „Carsten“, ins Netz und seitdem kann die Kabarettistin ganz entspannt in alle nur erdenklichen Männeraugen schauen. Aus dem Buch ist inzwischen eine Comedy-Show geworden, mit der die Potsdamerin allein durch die Lande tingelt, nachdem sich vor gut einem Jahr das Meissner-Duo auflöste.

Der gestillte Männerfrust legte indes neue Energien frei: Jetzt, wo sie mit im Boot der „älteren“ Paare sitzt, tun sich ganz andere Fragen auf. Wie sieht es zum Beispiel aus mit Sex über 40? Was macht die Prostata, was die Libido? Fragen, die unbedingt beantwortet werden müssen! Jedenfalls für Tatjana Meissner. Und ihr im Herbst auf den Markt kommendes zweites Buch „Alles außer Sex. Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein“ liefert dazu die passenden Antworten, die gern ein paar Lachfalten mehr ins Gesicht zaubern möchten. Auch „Carsten“ wird darin wieder vorgeführt. Haarklein beschreibt Tatjana, wie sie gefesselt auf dem Bett liegt, in froher Erwartung auf den wildesten Sex. Carsten geht nur noch kurz in die Küche, um Wein zu holen. Doch wo bleibt er? Schließlich robbt sie mit Strapsen in die Küche, und sieht ihn am Boden liegen. Will sie wirklich so einen hinfälligen Mann? „Will ich geheiratet werden, nur weil Mutti es will?“ Auch vor dem Frust über den eigenen äußerlichen Verfall macht die Autorin nicht Halt. Als ihr Liebster sich eine Gleitsicht-Brille holt, denkt Tatjana nur: „Oh, Schreck, jetzt kann er meine Falten noch besser sehen.“ Prompt lässt sie sich Botox-Spritzen geben. „Leider halten die nicht lange vor.“ Es gibt viele Themen, die die Midlife-Crisis anzettelt: Kinder sind aus dem Haus, Leute lassen sich scheiden, es gibt erste Ausfälle, wie Herzinfarkt, Depression. Und alle tun nach außen so, als würden sie ständig Sex miteinander haben. Mit diesem Trugschluss gehört nun aufgeräumt. Und der Eulenspiegel Verlag wird auch diese Meissnerschen Erkenntnisse drucken.

Chica, die rot-braune Katze, rekelt sich bei all den Offenbarungen von Frauchen nur abgeklärt auf ihrem weiß befellten Thron. Zwar spielt sie eine der Kratzbürsten im neuen Buch, aber auch das bringt ihren Dauerschnupfen, den Tatjana Meissner liebevoll ins Taschentuch wischt, nicht zum Stehen. Chicas wilde Jahre sind vorbei, während Tatjana Meissners Sex-Geschichten nun selbst im katholischen Bayern Gehör finden werden. „Sex ist das Salz in der Suppe, wenn du dich vermarkten willst. Aber die ganz schlimmen Sex-Szenen hat meine Schwester geschrieben“, räumt sie ein. Egal, ihr Vater hat jedenfalls bis heute ihr Buch nicht angerührt. Nun kriegt er es prompt auf seinem 70. Geburtstag lauthals vorgelesen. Vor Tatjana Meissner gibt es kein Entrinnen.

Darauf setzt auch die neue Reihe des Theaterschiffs „Nachschlag“, in der die Moderatorin mit dem widerborstigen Strubbelkopf Potsdams Prominenz ganz privat aus der Reserve locken möchte. Den Auftakt gibt es am 22. Januar mit Oberbürgermeister Jann Jakobs, und natürlich wird er gefragt, ob er denn wisse, wie die Leute über seine Slips auf der Wäscheleine so philosophieren. „Vielleicht hat er in seinem Haus in der Alexandrowka ja keinen Platz für einen Wäschetrockner?“ Fragen, die gestellt gehören, ganz ungeniert, befindet Tatjana Meissner. Und was sie sich selbst nicht traut, sollen die Besucher der Talkrunde auf einem Bierdeckel schreiben. Doch bei allem „Nacktscannen“ auch der Promis gibt es natürlich Grenzen. Deshalb verschickte sie im Vorfeld Fragebögen an ihre Gäste, an Ulla Kock am Brink, Kanutin Birgit Fischer, Kugelstoßer Udo Beyer, den rasenden Reporter Attila Weidemann und an MDR-Kommissar Wolfgang Winkler. „Der ist so drollig, da muss es reichen, dass seine Nichte in Potsdam wohnt.“

Auch an Joop und Jauch hat sie sich herangepirscht. Ersterer sagte, dass er an allen Terminen ausgebucht sei, und Jauch, dem sie durch Zufall ihre Einladung persönlich am Gartenzaun in die Hand drücken konnte, gab ihr nicht mal Bescheid. „Ich hasse es, wenn man ignoriert wird.“ Das wäre auf ihrem Fragebogen unter der Rubrik: „Was macht Sie wütend?“ zu lesen. Bereitwillig beantwortet sie in unserem Gespräch alles, was sie auch von den anderen wissen will. „Traurig macht mich zum Beispiel, oder besser weinend, wenn sich bei Kai Pflaume, Leute wiederfinden. Richtig traurig war ich, als meine jetzt 25-jährige Tochter mit 16 für ein Jahr ins Ausland ging.“ Freimütig bekennt sie auch, ,Deutschland sucht den Superstar’ zu sehen. „Ebenso wie Reportagen über die Vergangenheit, die ich selbst mit erlebte. Ich habe mir alles reingepfiffen, was über die DDR jetzt im Fernsehen lief.“ Und was gefällt ihr nicht an Potsdam? „Dass das Alte so hochgehalten wird. Da fühlt man sich gleich selber alt.“

Doch das ist wohl eher Koketterie. Tatjana Meissners Kalender platzt aus allen Nähten, seit Jörg, der studierte Marketing-Mann an ihr ausprobiert, ob sein Wissen funktioniert. Sie tourt herum und hält dennoch fest zum Theaterschiff, mit dem sie so lange verbandelt ist. Dort führt sie auch ihre erste Regie, zu „ABBA. Hallo“. „Natürlich werde ich es kabarettistisch angehen und nicht in der falschen Liga spielen“, erzählt sie über das Stück, in dem drei Klofrauen über Nacht in einer Toilette eingesperrt sind. Und mit S.O.S und Waterloo bei Laune gehalten werden.

Doch erst einmal gilt es, rund um ostfriesischen Grünkohl mit Pinkel, dem Lieblingsgericht von Jann Jakobs, den „Nachschlag“ nachhaltig einschlagen zu lassen. Keinesfalls werde das Drei-Gänge-Menü durch Fragen über Politik versalzen. Sollte jemand dennoch zu pikiert die Serviette beiseite legen, wird einfach zum Lieblingsbuch des Gastes übergegangen, aus dem sie mit ihm gemeinsam liest.

Gibt es Dinge, wovor die couragierte Frau bei allem Erfolg auch Angst hat? „Ich bin extrem optimistisch und zwinge mich dazu, ein volles Glas zu sehen. Aber wenn mich Jörg verlassen würde, dann würde ich tot umfallen.“ Dann schon lieber mit ihm auf die einsame Insel, auf die sie nur ihn mitnähme. Und ganz viele Zigaretten. Die lässt sie sich trotz öffentlicher Schmähung und Faltengefahr nicht vermiesen. Und genüsslich greift sie zur nächsten. So lassen sich ganz unaufgeregt am Küchentisch die nächsten Sex-Geschichten anzetteln.

Promitalk „Der Nachschlag“ Karten unter 0331-972302, Eintritt 29 €, einschließlich Drei-Gänge-Menü.

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